Um Mitternacht treiben nicht nur die Geister ihr Unwesen. Auch der kleine, erst vor wenigen Monaten frisch bezogene Planungsraum für Etihad-Cockpitbesatzungen platzt aus allen Nähten. Zwischen zwei und drei Uhr starten zahlreiche Langstreckenflüge, ausserdem verlassen zur gleichen nachtschlafenen Stunde auch einige „Turnarounds“ – sprich Umkehrflüge – den heimatlichen Flughafen. So drängen sich denn Piloten verschiedenster Nationaliäten um die etwas zu klein geratenen Stehtischchen, auf denen viel zu dicke Papierbündel mit Wetter- und Flughafeninformationen verstreut liegen. Und es wird nicht nur geplant, sondern auch heftig geplaudert, über Gott, die Welt – und einige andere Dinge, beispielsweise Eishockey.
Schweizer Fernsehen in Pole Position
Ich bin wieder einmal unterwegs nach New York. Zu meinem Leidwesen als „Operating Commander“ und damit Mitglied der „Crew A“, was während der kommenden sieben Stunden Arbeit und wenig Schlaf verheisst. Während ich zwischen den verschiedenen Computerterminals und meinem Planungstisch hin und her pendle, erblicke ich Lennart und Christian. Der Erstgenannte ein Schwede, vormals in Swissaircockpits tätig, der Zweite ein Däne mit schwedischen Wurzeln, der früher in Diensten der SAS stand. Selbstverständlich kommen wir auch auf die im Moment laufende Eishockey-Weltmeisterschaft und auf das bevorstehende Spiel Schweiz-Schweden zu sprechen. Die beiden Skandinavier beklagen sich über die Tatsache, dass sie die Spiele nicht am Fernsehen mitverfolgen können, während ich ungeniert mit den Übertragungsrechten des Schweizer Fernsehens prahle. Und sogleich strafen mich Übermut und Vorwitz, denn Lennart und Christian laden sich auf hemmungslose Art gleich selber für den kommenden Mittwoch ein. Gattinnen inklusive – wen erstaunt’s, „sharing is caring“ und überhaupt ist Schweden ein Sozialstaat der ersten Stunde.
Der Flug nach New York verläuft problemlos. Die Flugzeit beträgt lediglich 13 Stunden und 25 Minuten. Landung auf Piste 31R. Für einmal müssen wir nicht viermal die Anflugkarte wechseln, die Controller leiten uns mit ansonsten nicht üblicher Beharrlichkeit zum Endanflug der beim Erstaufruf genannten Piste. Der „Big Apple“ präsentiert sich im strahlendsten Frühlingsgewand, nicht eine Wolke trübt den blauen Himmel. Die Temperatur empfinde ich als angenehm wohltuend, steigt doch in Abu Dhabi das Thermometer bereits regelmässig wieder über die 40-Grad Marke. Schade nur, dass unser Hotel im abgelegenen Long Island und nicht im pulsierenden Manhattan liegt. Ein Bummel entlang des Broadways zum Times Square wäre zu verlockend gewesen.
Wenn der Schädel dröhnt
Kurz nachdem ich mein Handy angekickt habe, empfange ich ein SMS von Franziska. Kopfschmerzen und Übelkeit haben sie offenbar vorübergehend ins Bett gezwungen. Die vielen Besuche der letzten Tage und Wochen – bei uns wie auch bei Andrea und Toni – hinterlassen Spuren. Wenig Schlaf, mehr Nikotin und noch mehr Alkohol. Franziska hat das Rauchen vor 20 Jahren aufgegeben und macht seither nur bei gesellschaftlichen Sturm- und Drangphasen die Regel (des Nichtrauchens) zur Ausnahme (des Rauchens).
Wie auch immer – nun liegt sie also siech darnieder. Dabei will ich sie vorwarnen und auf die möglichen Gefahren des anstehenden Mittwochabends hinweisen. Mein SMS verhallt zuerst unbeantwortet in den endlosen Weiten der von Satelliten getragenen Kommunikation heutiger Tage. Es vergehen einige Stunden bis mein Handy per vertrautem Klingelton den Eingang einer Nachricht ankündet. „Hi dide! Wir freuen uns auf einen schweden abend! Wir werden es tim sagen. Mami liegt immer noch im bett mit ks. Ich schmeiss für sie den haushalt! Lg nina“, steht da grossmundig geschrieben. Sieht man einmal von der Tatsache ab, dass unsere „Beinahe Vollzeit-Maid“ Romana die meisten anfallenden Haushaltarbeiten zuverlässig verrichtet, spuckt unsere Letztgeborene ziemlich grosse Töne. Ich muss schmunzeln, bin aber immerhin beruhigt, meine Frau in guter Pflege zu wissen.
Am folgenden Tag tippe ich beim Versand meiner Anfrage nach dem allgemeinen Befinden gleich beim ersten Mal die Handynummer von Nina ein. Und siehe da – die Antwort kommt postwendend: „Yes i got everything under control! Mami is gettin better and better! Cu on Wednesday! Kiss nina“.
Gut so – damit steht dem anstehenden Helvetisch-Skandinavischen Abend nichts mehr im Wege und ich kann bereits einmal anfangen, unseren Kühlschrank mit Bier zu füllen. Denn sie spielen nicht nur verdammt gut Eishockey, die Schweden, sie verfügen auch über einen kräftigen Zug. Und da wollen wir Schweizer uns – genausowenig wie auf dem Eis – nicht lumpen lassen. Die Gattinnen bleiben übrigens zu Hause. Dafür stösst während des Spiels Andrea zu uns. Die Männer sind dennoch in der Überzahl.
Vielleicht liegt darin der Grund, dass wir auch sportlich auf der ganzen Linie überzeugen und die Schweden empfindlich schlagen. Zum ersten Mal an einer WM seit 1993! Mit zwei Toren Unterschied. Der Schweizer Triumph ist total. Auch wenn dies meine Umgebund hier in den UAE nicht unbedingt so dezidiert wahrnimmt: "You're Swiss - where in Sweden do you live...?"
Gestern waren wir mit Sicherheit die besseren Schweden!
Thursday, May 08, 2008
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8 comments:
Dear Crew Alpha Operating Commander;
Lohnt sich durchaus wieder mal zum zweiten Durchlesen, Ihr Text, mangels Inhaltsleere, bzw. dank Gehalt.
Musste kürzlich 9 Stunden am Stück autofahren! Da habe ich an Sie denken müssen. Man neigt ja dazu etwas dösig zu werden, nach 7 Std.,"complacent" sozusagen. Doch plötzlich baut da einer Mist vor oder neben einem auf der Autobahn -also hat man wieder ganz da zu sein, im Hier und Jetzt! Und sie müssen mitten in der Nacht abfliegen um sich 13 geschlagene Stunden später in den überfüllten Luftfraum von New York einzufädeln...phuh...ganz schön anstrengend!
Faszinierend die "Multikulti" Umgebung Ihres Arbeitsplatzes, inkl. Schwedischen Wurzeldänen.
Sie sind ja als Expat sozusagen ein Gastarbeiter - einer unter unzähligen. Manchmal gibt es negative Schlagzeilen über irgendwelche "Underdogs" dort. Aber ich denke manche haben's gut dort, inkl. Romana. "Sharing is caring" - den Spruch kannte ich bisher nicht. Klingt gut!
So, jetzt hoffe ich doch, dass Ihr Kühlschrank bald entsprechend gut bestückt sein wird mit Bölkstoff, bei Ihrer nächsten Einladung, beim Endspiel, wenn es dann hoffentlich heissen wird: "Die Schweizer sind die besseren Kanadier (oder Russen)!"
Mit freundlichem Gruss
Der Kühlschrank ist seit Tagen gefüllt - bleibt nur noch die Frage, ob wir im Endspiel gegen die Russen oder die Kanadier spielen...
P.S: USA - Norwegen 9 : 1 !
Fast hätte ich vergessen dass die Schweizer evtl. die besseren Amerikaner sind, bzw. sein könnten.
Jetzt nochmal gegen Russland antreten.
Die Schweizer Mannschaft wird allgemein als "überraschend stark" eingstuft. There's hope; hopp Schwiiz!!
Nina, schau doch mal in unseren Blog.
Die Gymiarbeiten sind zurückgekommen!!
Gruss Luca
Oooops!
Habe ich wohl etwas grosse Töne gespuckt:
Es hat mal einer ein Buch geschrieben mit dem Titel "Die Angst des Torwarts vor dem Elfmeter".
Ein Blogeintrag betitelt "Die Scham des Verteidigers nach dem Eigentor" wäre ein Vorschlag.
@crowi:
Wir können den Peter Handke ja mal fragen, vielleicht hat er auch noch einen passenden Titel zur etwas missglückten Abschiedsvorstellung der Schweizer Hockeyaner.
...war schön, euch "Eppler parents" im SF zu begrüssen...! Das nächste Mal gibt's denn aber würkli es Kafi!!! MIT sitzenbleiben!!!
Euer Blog entpuppt sich als wahres Amusement-Juwel! Hochkarätig humorvoll und "sackprofessionell" (Sorry - ich bin bisweilen ziemlich bodenständig - bin schliesslich eine Bauerntochter!!!)geschrieben - ich nehme an vom "Familienvorstand" Dieter Eppler?!
Nun - man/frau wird sicher bald nachlesen können, wie und ob ihr auch tatsächlich nach Abu Dhabi zurückgekehrt resp. gut angekommen seid... Ich hoffe schon sehr, ohne grössere Zwischenfälle?! Wobei... dann gäbe es wiederum etwas Spannendes zu lesen ;-D ....
Im übrigen ist es "u lässig" de Üse Eppler hier im Hause zu wissen. Bisweilen ist es ein "gegenseitiges Aufbauen" oder auch Abgleichen von humoristischen Phasen...
Liebe Grüsse aus dem TV-Chaschte am Leutschebächli - Regine
@Regine:
Danke für die Blumen! Von der Fachfrau verteilt, erfreuen sie umso mehr. Die Beiträge entspringen in der Tat zumeist meiner Tastatur, allerdings kann ich den Titel "Familienvorstand" nicht unbedingt für mich in Anspruch nehmen...
Auch uns hat die kurze Begegnung gefreut - auch ohne Kaffee. Vielleicht kommt es ja in Bälde schon zu einem "Revival" in der Wüste. Und dann dürfte die vielbeschäftigte TV-Frau wohl kaum dermassen unter Zeitdruck stehen.
In diesem Sinne - liebe Grüsse und bis bald (und gib mir gut auf den lieben Bruder acht!)
Dide
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