Monday, November 06, 2006

Staulage

Wieder einmal hat es mich nach Europa gespült.
Auch in Frankfurt residieren wir unmittelbar am Flughafen. Vom Hotel Sheraton führen diverse Passerellen und Rollbänder zu den An- und Abflughallen. Obwohl ich einen beträchtlichen Teil meines bisherigen Lebens auf Flughäfen verbracht habe, fasziniert mich die rastlose Atmosphäre dieser internationalen Drehscheiben nach wie vor. So schlendere ich gemütlich durch die zahlreichen Hallen und Verbindungsgänge. Beschnuppere dabei die Geschäfte, stöbere in deutschen Zeitungen und Journalen und decke mich mit neuen Büchern und Magazinen ein. Die „Rundschau“ finde ich leider nicht in den üppig gefüllten Gestellen.
Es herrscht emsiges Treiben an diesem Sonntagmorgen. Geduldig reihen sich die Reisenden in endlosen Warteschlangen. Froh, nicht selber anstehen zu müssen, ja beinahe genüsslich schon, studiere ich ihre Gesichter. Vor einigen Gepäck-Röntgenapparaten haben sich Schlangen von mehr als 30 Metern gebildet. Ob sie alle mit Etihad fliegen wollen...? Wohl kaum, unser Flug startet erst am Abend. Vielleicht mit der SWISS...?
Der Stau vor dem Check-In mahnt mich an diverse Notizen zu möglichen Blog-Einträgen. Auch hier haben sich einige Dinge „gestaut“. Ideen sind vorhanden, aber ich habe bislang nicht geschrieben. Dabei habe ich in der Zwischenzeit meinen „Training Day“ sowie den Simulator-Check auf dem A340 absolviert. Erfolgreich. Mehr noch, diese Reise nach Frankfurt ist mein erster Flug mit einem Etihad-A340. Allerdings „nur“ mit dem A340-300, jener Maschine, die auch die SWISS einsetzt. Um Flüge mit der grösseren A340-500 Version durchführen zu können, brauche ich noch eine Einführung mit einem Instruktor. Zwei „Sectors“ – that’s it.
Der A340-500 wird in erster Linie auf der Strecke Abu Dhabi-New York eingesetzt. Flüge von 14 Stunden und mehr mit einem lediglich 24-stündigen Aufenthalt in Long Island. Anschliessend geht’s zurück an den Arabischen Golf. Für Etihad Airways ist die Aufnahme der New York-Verbindung ein weiterer Meilenstein in ihrer jungen Geschichte. Nonstopflüge über den Nordatlantik mit Cockpit „Full-Enlargement“, sprich zwei Cockpitbesatzungen, die sich die Zeit am Sidestick teilen. Zahlreiche Bulletins wurden im Vorfeld versandt, neue Uniformteile kreiert. In der Kabine dürfen sich die Piloten nur mit einem „Cardigan“ zeigen. Die Passagiere sollen uns nicht erkennen. Auch wird ein einheitliches Pyjama in dezentem Grau mit Etihad-Emblem ausgefasst!!! Da genossen wir bei der SWISS ja geradezu grenzenlose Freiheiten, war uns doch die Wahl des Schlaftenues weitgehend freigestellt.
Toni hat mich natürlich – einmal mehr – überholt und fliegt diesen Monat bereits drei Mal als ausgecheckter 500er-Captain nach New York und zurück. Aber nicht nur in diesem Punkt hat er die Nase vorn. Auf seinem lokalen Bankkonto hat er – wenn auch für Insider nicht ganz unerwartet – in kürzester Zeit bereits wieder ein Vielfaches von uns an „Dirham“ geäuffnet, so dass mir nur noch das "Stau"nen ob diesem „Geldstau“ bleibt. Immerhin halte ich in Sachen Fahrkilometer die Pole Position. Der Tacho unseres Prado zeigt nämlich bereits 9000 Kilometer. Staufrei. Da zumindest können die Ackermanns in keiner Art und Weise mithalten...

Einsatz- und Kinderplanung mit Tücken
Der November-Einsatz wurde spät publiziert. Sehr spät. Erst am 29. Oktober. Dafür mit unangenehmen Überraschungen. Wahrscheinlich gabs einen Planungsstau. Mein Wunsch für vier Freitage vom 11. bis am 14. November hat der anglikanische Planer locker ignoriert. Im Gegensatz zu meinem früheren Arbeitgeber können bei Etihad solche „Requests“ nicht elektronisch eingegeben werden. Hier füllt man einen Zettel aus. Wie zu Beginn meiner zivilen Fliegerkarriere vor 25 Jahren. Dabei steht einem lediglich ein Wunsch pro Monat frei. Entweder für einen bestimmten Flug oder halt eben für einen Freitageblock. Diesmal hat es nicht geklappt und das ist ärgerlich, weil Franziska für eine Klassenzusammenkunft und einige andere Besorgungen in die Schweiz fliegt. Bisherige Versuche, den betreffenden Flug loszuwerden oder abzutauschen sind kläglich gescheitert. Trotz anderslautender Versprechungen gewisser Stellen. Ähnlich diffus präsentiert sich übrigens auch die Feriensituation für die Monate Dezember und Januar. Noch habe ich keine Ahnung, was da auf mich zukommt. Immer schön locker bleiben heisst die Devise. Nur nicht aufregen. Dafür haben wir jetzt endlich eine Alkohollizenz und können guten Gewissens mit dem Abbau der im Kühlschrank gestauten Bierbüchsen beginnen! Ganze vier Wochen mussten wir uns gedulden, bis der Kurier es geschafft hat, das kleine Büchlein bei uns auszuliefern. In dieser Zeit hat er mindestens 15 Mal angerufen und seinen Besuch angekündigt, dies zu den unmöglichsten Tages- und Nachtzeiten.
Und dies noch zum Schluss: Im Cockpit kommt es immer wieder zu interessanten Diskussionen, die sich in der Thematik zeitweise deutlich von früheren Gesprächen in SWISS-Flugzeugen unterscheiden: Bei einem meiner letzten Flüge – es war nach Manchester – war ich mit einem Emirati unterwegs. Einer der wenigen „Locals“, der es ins Cockpit der Etihad geschafft hat. Sie seien zehn Kinder gewesen, teilt er mir stolz mit. Offenbar gefällt ihm das System „Grossfamilie“, denn zusammen mit seiner aus Saudi-Arabien stammenden Frau hat er auch bereits fünf Söhne. Nun sucht er eine zweite Frau, mit der er weitere Kinder zeugen kann. Doch seine Gattin ist mit diesem Vorhaben nicht einverstanden. Obwohl die Muslime das Recht auf vier Frauen haben, muss sie dazu ihr Einverständnis geben. Da steht dem lieben Kollegen noch etwas Überzeugungsarbeit bevor. Sonst droht ein Stau der anderen Art.

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