Selbstverständlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Angestellten zu beglücken. Es muss nicht immer schnöder Mammon sein. Und es bräuchte fürwahr nicht viel, um die Pferdchen im Stall bei Laune zu halten. Mir persönlich ist in diesen Tagen grosse Freude widerfahren, wenn auch vermutlich nicht von der Firma in eben dieser Art geplant.
In der Not des ausstehenden Bonus frisst der Teufel Fliegen – der Pilot lässt sich vornehm fliegen.
Mein Standby-Block zwischen Weihnachten und Silvester wird, wenig überraschend, bereits einige Tage im Voraus umgewandelt. Der Plan sieht vor, mit dem Taxi nach Dubai zu fahren, dann in einer Maschine der Emirates via Larnaca nach Malta zu fliegen. Nach 30-stündigem Aufenthalt auf der Insel – reif dazu bin ich seit geraumer Zeit – sollen der Copi und ich einen A340-500, dessen Innenleben von Lufthansa Technik auf den neuesten Stand gebracht wurde, nach Abu Dhabi überführen.
Liest sich gut, denke ich mir und freue mich, an jenen Ort zurückzukehren, wo ich im März 1981, als angehender Swissair-Copi, unter kundiger Aufsicht wohlwollender Fluglehrer meine ersten holperigen Landungen auf dem DC-9-32 durchführte.
Um 0330 Uhr treffe ich den Copi am Flughafen in Abu Dhabi. Eine halbe Stunde später besteigen wir das Taxi nach Dubai. Im Vorbeigehn treffen wir einen Kapitänskollegen, der ziemlich belämmert aus der Wäsche schaut. Was ihm passiert ist, soll in einem kommenden Blogeintrag ausführlicher geschildert werden. Eine verrückte Geschichte.
Geschlafen haben weder der Copi noch ich viel, doch schliesslich werden an diesem Tag keine Gewaltsleistungen von uns erwartet. Bescheiden quetschen wir uns in die hinterste Reihe der Economy-Class und lassen uns von der Konkurrenz über Saudi Arabien, Syrien, den Libanon und das Mittelmeer nach Malta schaukeln. Das Unterhaltungsangebot ist wenig erbaulich, die Tonqualität der Filme mangelhaft, und so drifte ich alsbald ins Land der Träume.
Alles klappt hervorragend. Nach der pünktlichen Landung erwartet uns in der Ankunftshalle eine freundliche Dame. Sie fährt den Copi und mich ins Intercontinental Hotel am St. Julian’s Bay. Für das Check-in werden wir an die Reception in der International Lounge in die 15te Etage geleitet. Auch hier eine freundliche Dame, die uns mit ausnehmend herzlichem Lächeln Willkommen heisst. Eine weitere Mitarbeiterin offeriert Espresso und Orangensaft.
Zur Sicherheit, man weiss ja nie, will ich bei den verantwortlichen Lufthansa-Leuten zuerst einmal den Stand der Dinge verifizieren und unsere Bereitschaft zur Übernahme der A6-EHF anmelden. Bereits nach wenigen Klingeltönen meldet sich eine weibliche Stimme. Ich erkläre den Grund meines Anrufs, doch die Frau kann mir nicht weiterhelfen. Sie notiert meine Handynummer und verspricht, die Angelegenheit an die verantwortlichen Stellen weiterzuleiten. Nach zehn Minuten scheppert mein Mobiltelefon die erst kürzlich gespeicherte Tatort-Titelmelodie. Zeichen meiner treuen Verbundenheit mit der deutschen Krimikultur!
Der Mann am anderen Ende der Leitung wirkt befremdet. Er räuspert sich, hüstelt, und erklärt mir dann, dass die Arbeiten an unserer Maschine noch nicht abgeschlossen seien. Aha – wie lange es denn noch dauern würde, will ich wissen. Und die Antwort kommt postwendend: “Bis am 5. Januar”. Das wäre dann in acht Tagen, im nächsten Jahr…
Die Ankündigung der Verzögerung überrascht mich weniger als die Dimension derselben. Mein erster Eindruck des Hotels fällt zwar erfreulich aus, die Damen lächeln unentwegt und das Wetter erweist sich mit Sonne und 15 Grad als ganz passabel. Hingegen muss ich gestehen, dass mich die Vorstellung, den Jahreswechsel mit dem Copi und einigen unbekannten Maltesern - bestenfalls Malteserinnen - zu zelebrieren, nicht gerade aus den Socken haut. Umgehend wähle ich die Handynummer des A340 Chefpiloten. Ich erreiche ihn in einem Hotelzimmer in London. Das Gespräch fällt kurz aber herzlich aus. Er empfiehlt uns fürs (erste?) Abendessen eines der hervorragenden Seafood-Lokale und verspricht überdies, sich der Sache umgehend anzunehmen. Und bereits nach wenigen Minuten melden sich die Kollegen vom Crew Control in Abu Dhabi und verkünden frohe Botschaft: Wir würden am kommenden Tag wieder mit Emirates zurückfliegen. Die Tickets wären gebucht. Die Uniform bleibt im Koffer. Im weiteren entschuldigt sich der Kollege für die Umstände. Keine Ursache – ich nehme dies als grosszügiges Geschenk der Firmenleitung: Schliesslich wird nicht jedem Mitarbeiter zum Jahreswechsel eine Nacht im Fünfsternhotel in Malta offeriert. Flug und Frühstück in der Lounge inklusive.
Zwar keine planerische Meisterleistung aber zweifellos ein Bonus der besonderen Art!
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