Tuesday, May 26, 2009

Idyllische Linienfliegerei

Wieder einmal im Cockpit! Nach akkurat vier Wochen und zwei Tagen Büro-Aktivität muss ich meinen Koffer vor dem Packen zuerst von einer dicken Sandschicht befreien. Mein Einsatzplan schickt mich zur Feier des Tages nach Melbourne. Für mich bedeutet dies Neuland, die Destination figuriert erst seit diesem März im Etihad-Angebot und lockt mit Neugierige mit einer täglichen Verbindung in die Hauptstadt des Bundesstaates Victoria. Günstig für die Reisenden, die dadurch an Planungsflexibilität gewinnen – weniger einträglich hingegen für die Besatzungen; denn intensivere Frequenzen haben kürzere Aufenthalte für Flight Attendants und Piloten zur Folge. Und bei 14-stündigen Passagen wäre eine mehr als 26 Stunden dauernde Ruhezeit eine angenehme Entschädigung.

Gestartet wird in der Nacht, kurz nach 22 Uhr. Ich bin in der „zweiten Schicht“ eingeteilt, darf mich also für die ersten Stunden ins Kabäuschen im Heck des A340-600 legen. Doch müde bin ich eigentlich nicht, habe lange geschlafen am Morgen. So quetsche ich mich zuerst in einen Sitz der hintersten Economy-Reihe und entspanne mich bei Dustin Hofmanns Bemühungen um die Gunst einer Dame mit feinstem englischen Akzent. Doch offenbar ist er nicht fein genug, der Akzent. Irgendwann vermag ich der Leinwand-Konversationen nicht mehr zu folgen und verfalle in einen lang anhaltenden Dämmerschlaf. Später, als ich verstört die Augen aufschlage, fühle ich mich zu kraftlos, um einen Umzug in den eine Etage tiefer liegenden Crewbunk in Angriff zu nehmen. Ich döse weiter, bis ich mich nach insgesamt fünfeinhalb Stunden Ruhezeit durch den dunklen Gang, über unanständig ausgestreckte Passagierbeine und noch viel unanständiger unbesockte Füsse, einem Hürdenläufer gleich nach vorne in den Führerstand kämpfe. Die Sonne scheint ähnlich schlapp wie ich. Sie hat sich soeben träge über den Horizont gehievt und blinzelt in flachem Winkel verschlafen durchs Cockpitfenster.
Der Flug verläuft ruhig und ohne Zwischenfälle. Weder Herzattacken noch unanständige Passagiere machen uns zu schaffen. Es ist bereits Abend in Melbourne, als mein Kapitäns-Kollege aus dem Malayischen Archipel einige Zeiteinheiten später unseren Flieger für den Landeanflug konfiguriert. Aufsetzen, Abbremsen, Ausrollen, Parkieren. Dann, nach vielen „Bye-Bye’s“ und „Thank you’s“ hält uns nichts mehr in der 75 Meter langen Röhre.

Die Fahrt zum Hotel dauert 40 Minuten. Alle sind müde, doch niemand will ans Schlafen denken. Wir verabreden uns für 1930 Uhr in der Lobby. Gewöhnlich nicken alle bei der Bekanntgabe solcher Treffpunkte, aber ausser den Cockpitkollegen oder dem Cabin Manager glänzt die Mehrheit meist durch diskrete Abwesenheit. Nicht so heute: Zu unser aller Überraschung trudeln letztlich sämtliche Besatzungsmitglieder – mit Ausnahme einer Hostess – in der Hotelhalle ein. Frisch geduscht und neu gewandet. Das ist beinahe geschichtsträchtig: 14 Flight Attendants und vier Piloten ziehen los, um an einem Freitagabend im Herzen von Melbourne einen Tisch fürs gemeinsame Nachtessen zu finden. Und die Geschmäcker sind bei diesem Nationalitätenmix total gegensätzlich: Malaysier, Inderinnen, Vertreterinnen der Philippinen und die Chinesin schreien nach Reis und Scharfem, die Slowakin und die Rumäninnen gelüstet nach Schweinefleisch und der kümmerliche Rest der Besatzung, bestehend aus Vertretern Ägyptens, Kenias, Australiens und der Schweiz verspüren keinen Hunger oder sind untentschlossen. Ich spüre förmlich, wie sich "nff" beim Lesen dieser Schilderung die Nackenhaare sträuben. Er, der im Laufe der Jahre eine Abneigung gegen lange Tische und grosse Gruppen entwickelt hat, dürfte hier lediglich den Kopf schütteln; Im Wissen um die zerbrechliche Struktur einer solch grossen Truppe, und mit der Erkenntnis, dass bereits das simple Überqueren einer Strasse zur anspruchsvollen Teamprüfung verkommt.
Doch das subtil aufgebaute CRM (Crew Ressource Management)-Training der Etihad ist offenbar nicht spurlos an uns vorbeigegangen und zeigt Wirkung. Auch mehrere unangekündigte Richtungsänderungen vermögen uns nicht auseinanderzutreiben, und so strömen alle, einem Wolfsrudel gleich, Richtung Casino. Genauer gesagt visieren wir einen der grossen „Food Courts“ im langen Gebäudekomplex an. Ich bin unschuldig. Ich kenne ja nichts in dieser mir so unbekannten Stadt. Ich gehöre in diesem Fall zu den rangniedrigen Wölfen, die mit hängender Rute der Spur der Alphatiere folgen.
Der „Food Court“ scheint wie geschaffen für uns. Grosse lange Tische – im Moment leider alle besetzt – umgeben von einer kulinarischen Ländervielfalt, wie sie den Bedürfnissen unseres Wolfsrudels nicht besser entsprechen könnte. Während die meisten sogleich zwecks Nahrungsbeschaffung ausströmen, kümmert sich ein rumänisches Flight Attendant um Sitzgelegenheiten. Dank ihres verwegenen Charmes schafft sie es im Nu, einen zeitungslesenden australischen Eremiten von unserer Notlage zu überzeugen. Verlegen lächelnd faltet er seine Lektüre zusammen und räumt seinen Platz. Wenig später versammeln sich 18 hungrige Mäuler über Plastikschalen und Pappteller und geniessen diskutierend, lachend und heftig gestikulierend ein wohlverdientes Nachtessen.

So idyllisch kann die Linienfliegerei sein.

Saturday, May 23, 2009

Das "Privileg der Wahl"

Wem sich Optionen bieten, der hat Glück! Doch wer kennt nicht die weise Formel von der Qual und der Wahl. Unselig sind die beiden Begriffe miteinander verknüpft: je vielfältiger die Wahl, desto schmerzlicher die Qual. Doch vielleicht liegt alles nur an unserer (falschen) Betrachtungsweise.

Chancen wären keine echten Chancen, würden sie nicht auch Risiken bergen. „Wer wagt, gewinnt!" Eine Redensweise, die in diesem Fall in diskreter Verharmlosung lediglich auf die positiven Seiten eines Wagnisses hinweist. „Wer wagt, kann verlieren!“, wäre auch nicht falsch. Aber mit Sicherheit weniger aufbauend. Letztlich alles eine Frage der Interpretation. Optionen bieten Möglichkeiten. Nicht nur in der Finanzwelt. Wer mit Optionen spekuliert, braucht ein dickes Fell. Auf das Fell verzichten kann, wer über ein üppig gefülltes Konto oder einen direkten Draht zu Madame Tessier verfügt. Vielleicht aber genügt auch eine Portion Gutgläubigkeit und Aberglaube.

Unsere Familie beschäftigt eine Option anderer Art: Eine „Rückkehr-Option“, die uns vor drei Jahren den Entscheid nach Abu Dhabi zu ziehen in jeder Hinsicht vereinfacht hat. Eine Option, die uns Sicherheit und Rückhalt vermittelte und dazu beitrug, die Dinge – den Umständen entsprechend – locker anzugehen. Eine Option, deretwegen ich lächelnd auf eine grosszügige Abfindungssumme verzichtet habe.
Es war der 21. Mai 2006, als Toni und ich zusammen mit einem weiteren Schweizer, zwei Jordaniern, einem Briten und einem Zyprer in der damaligen Etihad Training Academy die ersten Formulare ausfüllten. Offenbar akkurat und fehlerlos, denn ausser Toni – dessen altersbedingte Unrast ihn nach zwei Jahren wieder ins Zürcher Unterland trieb – fliegen heute noch alle für die National Airline der UAE. Doch nicht nur Piloten fliegen – die Zeit tut es ebenso; ja mehr noch, sie VERfliegt. Schneller, als ich je gedacht hätte. Die Erinnerungen an den Frühsommer 2006 sind so lebhaft, als wärs gestern gewesen; Abschied in Stadel, Theoriestunden, die ersten Flüge, der Umzug der Familie, die Einschulung der Kinder – die Bilder haben nichts von ihrer Intensität verloren.
Hätten wir die „Option to return“ in ihrer Kurzvariante genutzt, wäre diesen Monat bereits der Möbelwagen vorgefahren. Drei bis vier Jahre offerierte damals die SWISS. Eine in der Fliegerei einmalige Offerte.

Mittlerweile ist viel passiert. Wir haben feststellen müssen, dass „Expat-Uhren“ anders laufen. Bis auf zwei Familien, die wir zu den Freundschaften der ersten „Abu Dhabi-Stunde“ zählen, haben alle das Land verlassen. Sie sind weitergezogen nach Houston, Doha oder Bahrain. Andere leben heute wieder in ihren Heimatländern. Stapfen im Winter durch meterhohen Schnee oder suchen sich ihren Arbeitsweg durch frühmorgendliche Herbstnebel.
Wir hingegen stecken noch immer zwischen den Dünen. Die SWISS und der Pilotenverband AEROPERS sind uns ein weiteres Mal äusserst kulant entgegengekommen. Auf unser Gesuch hin wurde die „Option to return“ um ein Jahr, bis Sommer 2011, verlängert. Somit sind die Schulabschlüsse der beiden älteren Kinder sichergestellt. Doch der Rückkehr-Entscheid wird damit nicht einfacher. Ginge es nach mir, so würde ich wohl – Insh Allah – bis zum Ende meines fliegerischen Wirkens in Abu Dhabi bleiben. Die Dynamik meines aktuellen Arbeitsumfeldes ist einzigartig. Im Cockpit wie im Büro.
Die Prioritäten der Familie sind nicht unbedingt die gleichen. Franziska fühlt sich zwar sehr wohl in Abu Dhabi und ist mindestens ebenso beschäftigt wie ich, doch die Tatsache, dass wir ab Sommer 2011 nur noch zu dritt in den Emiraten leben würden, lässt bei ihr Zweifel aufkommen.
Die Kinder scheint der Zeitpunkt der Rückkehr in die Schweiz nur am Rande zu interessieren. Tim ringt derzeit mit der „Qual der Wahl“ seines Studienplatzes und liebäugelt dabei mit Destinationen wie Zürich und New Brunswick. Nina kann mit einem längeren Verbleib in den UAE ebenso gut leben wie mit einem Schulabschluss in der Schweiz, und Linda fokussiert im Moment primär auf die neuen Herausforderungen der kommenden beiden Jahre. Was nachher kommt, scheint sie im Moment wenig zu beschäftigen.

So mutiert die „Option to return“ immer mehr zur Knacknuss. Die Bedürfnisse einer fünfköpfigen Familie unter einen Options-Hut zu bringen erweist sich als die ominöse Quadratur des Zirkels: Ja oder Nein? Heute oder morgen? Nie oder nimmer?

Doch wie eingangs erwähnt, ist letztlich die Betrachtungsweise entscheidend. Die Wahl zu haben heisst, selber entscheiden zu können und muss nicht zwingend quälend sein. Auch wenn der Entscheid die eine oder andere schlaflose Nacht bereiten wird - uns bleibt das „Privileg der Wahl“.

Thursday, May 14, 2009

Wasta

Es kommt vor, und zwar nicht selten, dass mir bei der abendlichen Heimfahrt hinter dem von der Sonnenbestrahlung sengend heissen Steuer unseres Zweitwagens die Gedanken überquellen. Ich verspüre dann jeweils einen unsäglichen Drang, mich hinter die zwar abgewetzte, aber weniger heisse Tastatur meines Laptops zu setzen und loszuschreiben. Sätze purzeln mir durchs Gehirn, Ideen, Verknüpfungen, Formulierungen.
Zuhause angekommen, scheint dann aber alles wie vom "Shamal" weggeblasen.

Die vergangenen Wochen waren intensiv, nicht nur weil uns viele Freunde und Verwandte besuchten. Ich habe ausschliesslich im Büro gearbeitet. Beinahe einen Monat ohne Start und ohne Landung. Nicht einmal ein kleiner Hüpfer, der mir zu einem Hauch von Schwerelosigkeit verholfen hätte.
Unser Nachbar, mein Arbeitskollege, ringt mit einer schweren Krankheit. Jeden Tag fährt er mit mir ins Büro am Flughafen. Ans Fliegen ist für ihn nicht zu denken. Sein Leiden und Hoffen aus nächster Nähe mitzuerleben, schüttelt mich kräftig durch, lässt mich zweifeln und hadern. Es sind Momente, in denen sich Werte verändern und mit neuen Preisschildern versehen werden. Momente auch, in denen sich immer wieder ein milchiger Schatten über das eigene Wohlergehen legt.

Doch das Leben geht ungeachtet dessen weiter. Mit jedem Monat, jedem Jahr in den Emiraten umspannt uns ein engeres Netz. Das Schuljahr neigt sich seinem Ende zu. Während Tim und Nina an der ACS (American Community School) aufgeblüht sind, und eine für Franziska und mich oftmals unerklärliche „Amerikanisierung“ durchleben, tut sich Linda immer schwerer an der Deutschen Schule. Wohl wäre sie – etwas schlingernd zwar – auf Abiturkurs, doch das Umfeld bereitet ihr seit geraumer Zeit Mühe. Auch wenn sich die Deutsche Schule auf stetigem Wachstumskurs befindet, ist sie von der Dynamik einer ACS mit 900 Schülern noch weit entfernt. Linda, die sich in ihrer Freizeit mittlerweile fast ausschliesslich in eben diesen ACS-Kreisen bewegt, möchte die Schule wechseln. Motivation und Einsatz sind auf einem Tiefpunkt angelangt, die Noten ebenfalls. Doch die ACS weist uns anfänglich ab. Mit der Begründung, dass keine Schüler in "Grade eleven and twelve" von emiratischen Schulen mit einem gleichwertigen Curriculum akzeptiert würden. Franziska und ich verlangen ein Gespräch mit dem „Superintendent“ (Rektor), bei dem es uns gelingt, die unglückliche Situation unserer Tochter glaubwürdig zu schildern. Wir schlagen sogar vor, die zehnte Klasse zu wiederholen, um die geltende „Policy“ umschiffen zu können. Das Gespräch zeigt Wirkung. Linda wird zur Prüfung zugelassen. Das Resultat soll über allfällige Aufnahme und Klassenzugehörigkeit entscheiden. Linda meistert sich offenbar gut, der Bescheid ist positiv; sie darf direkt in die elfte Klasse. Wir freuen uns, denn wir versprechen uns alle viel von diesem Schulwechsel.

Just am selben Tag, als uns dieser Bescheid erreicht, flattert eine weitere – seit langer Zeit erwartete – höchst positive Nachricht in meinen elektronischen Briefkasten: Sowohl die SWISS wie auch der Pilotenverband AEROPERS haben einer einjährigen Verlängerung meiner „Option to return“ zugestimmt. Damit läuft das Rückkehrrecht erst im Sommer 2011 aus. Für den entsprechenden Entscheid lässt man uns sogar Zeit bis im Februar 2011. Wer hätte das gedacht! Damit ist garantiert, dass auch Linda ihren High School Abschluss hier in Abu Dhabi machen kann. Und Franziska und mir wird die Gnadenfrist zum Fällen des Rückkehr-Entscheids grosszügig verlängert.
Für Tim geht es bald ins letzte Wüstenjahr. Seine schulische Belastung hat im Verlauf der letzten Wochen stark zugenommen. Das IB (International Baccalaureate) ist so richtig lanciert. An vielen Tagen kommt er um 1600 Uhr mit dem Schulbus nach Hause, und brütet für den Rest des Tages über seinen Hausaufgaben, lediglich unterbrochen von ein oder zwei Stunden Eishockey. Die Zeiten haben sich für ihn definitiv geändert. Nicht nur in der Schule übrigens.
Seit wenigen Wochen beschäftigt er sich mit der hohen Kunst des Autofahrens. Die Theorieprüfung hat er bereits erfolgreich hinter sich gebracht, ebenso den sogenannten „Evaluation drive“ vom vergangenen Samstag. Dafür haben wir vorgängig extra einen Wagen mit Handschaltung gemietet, und mit dem Sohnemann eine Woche lang Anfahr-, Schalt- und Bremsübungen im und vor dem Compound abgespult. Jetzt gehts ans Praktische. Doch zuerst ist Geduld angesagt. Aufgrund von Engpässen plant die „Emirates Driving School“ seine ersten Fahrlektionen erst auf Mitte Juni. Das scheint uns spät, viel zu spät.
Seit Bezug der neuen Büros teilen die Flight Safety-Mitarbeiter die Arbeitsräume mit den Kollegen der Aviation Security. In dieser Abteilung sind vorwiegend Emiratis (Locals) tätig. Alle bestens vernetzt und teilweise gar mit vorgängiger Erfahrung im Geheimdienst. Nach gut drei Jahren in diesem Land bin ich mit Sitten und Gebräuchen weitgehend vertraut. "Wasta" ist arabisch und kann etwa mit dem Begriff „Beziehungen“ umschrieben werden. Wer „Wasta“ nutzt, handelt nach lokaler Usanz nicht etwa egoistisch, sondern passt sich ganz einfach den hiesigen Gebräuchen an. So kostet mich die diskrete Anfrage bei den Kollegen von der Security wenig Überwindung. Ob sie denn nicht die Fahrausbildung meines Sohnes etwas beschleunigen könnten, will ich wissen. Mit wehender „Kandoora“ nimmt sich ein junger Kollege meines Anliegens an, erkundigt sich nach Tims Dossier (das ich natürlich ganz zufällig dabei habe...). Er vertröstet mich auf den nächsten Tag. Im Verlauf des kommenden Morgens verkündet er mir, dass zwar kein früherer Slot verfügbar wäre, Tim jedoch an die Spitze der Warteliste „vorgerückt“ sei. Und wie von Geisterhand geführt, lässt auch die erste Annullierung nicht lange auf sich warten. Bereits nach einer halben Stunde taucht der Kollege wieder auf, in der Hand sein Handy, murmelt etwas vom kommenden Samstag, Sonntag, Montag, Dienstag und Mittwoch, und bietet tägliche Fahrstunden an, allerdings immer um 14 Uhr. „Geht nicht“, erwidere ich, „die Schule wird das kaum erlauben“. Mein Vertrauensmann diskutiert weiter am Telefon. Seine Stimme wird lauter. Nach zwei Minuten offeriert er Abendstunden. Mit Ausnahme des Montags. Ich bin begeistert und nicke erfeut. „Wasta“ sei dank.
Am kommenden Morgen lege ich dem Freund und Helfer diskret eine Schachtel „Frigörli“ auf sein Pult. Eine Hand wäscht die andere, und viel mehr als zartschmelzende Schweizer Schokolade habe ich in diesem Moment nicht zu bieten.

Irgendwann später, am selben Tag, steht ein anderer Kandoora-Träger vor meinem Pult, blickt verstohlen, spricht mit leiser Stimme: Sein Cousin würde gerne Pilot werden, raunt er mir zu. Und er erkundigt sich nach dem „Cadet-Program“ von Etihad. Ob ich allenfalls Hintergrundinformationen hätte und „etwas machen“ könne.
Ob für solch hochgesteckten Wünsche mein bescheidenes Wasta-Kontingent ausreichen wird, bezweifle ich. Und überziehen ist nicht vorgesehen...

Saturday, May 09, 2009

Piloten-Trilogie - dritter Teil
















Damit der gesunde Geist im gesunden Körper gedeihen kann, braucht er genügend Erholung und Schlaf. Nachtflüge, trockene Luft und ständig wechselnde klimatische Bedingungen fordern ihren Tribut. Eine alte Fliegerregel meint wohl berechtigterweise: „Try to keep the number of your landings equal to the number of your takeoffs“. Ausgeruhte Piloten haben zweifellos grössere Chancen, dieser Vorgabe gerecht zu werden.

Hotel
Viele meiner Berufskollegen werden nicht müde mit gespielter Lässigkeit zu betonen, wie unwichtig ihnen die Wahl des Hotels sei. Doch immer wieder beschweren sich Piloten und Flight Attendants bei Vorgesetzten über zu laute, zu abgelegene oder zu schmutzige Unterkünfte. Für mich sind die Hotels, ich gebe es zu, ein nicht unbedeutender Faktor. Denn nach einem langen anstrengenden Flug will ich meine Ruhe. Das Bett soll bequem, einladend und sauber sein. Zu meinem eigenen Erstaunen stelle ich immer wieder fest, wie sehr ich mich an unsere Crew-Hotels gewöhne. Wenn ich den Koffer für Sydney packe, sehe ich mich bereits im Zimmer des „Four Seasons“. Dummerweise haben wir just diesen Monat die Bleibe in dieser Stadt gewechselt. Der erste Besuch im Marriott mutet seltsam an. Alles scheint so fremd, so wenig vertraut. Piloten sind, trotz reger Reisetätigkeit, Gewohnheitstiere. Vielleicht auch gerade deswegen. Sie sind an vielen Orten zuhause und klammern sich dabei gerne an bekannte und vertraute Dinge. Es ist angenehm zu wissen, was einen erwartet. Über eine längere Zeitdauer wachsen Eigenheiten eines Hotels ans Herz. Auch kleine Zimmer werden nach wiederholtem Aufenthalt zum valablen Stubenersatz. Das Lokal um die Ecke zum temporären Esszimmer. Der Deli von gegenüber zur heimischen Migros- oder Coop-Filiale. Ein Hotelwechsel bedeutet immer Neu-Orientierung. Oftmals steht das neue Hotel in einem anderen Quartier einer Stadt. Und somit beginnt abermals die Suche nach einer Einfkaufsmall, einem Kino, einer gemütlichen Beiz, einem Starbucks fürs morgendliche (Kaffee)Schäumchen.
Ich geniesse die Zeit in meinem Zimmer. Beim entspannten Lesen, Zappen oder Internet-Surfen. Manchmal weiss ich bereits vor dem Beginn einer Rotation, was ich mir im Hotel ins Zimmer bestellen werde. Ich freue mich über bekannte Gesichter, sei es beim Check-In oder an der Bar. Ein belangloser Schwatz vermittelt Vertrautheit. Und manchmal, wenn ich vom Nachtessen oder einem Stadtbummel zurückkehre, habe ich gar das Gefühl, als würde mir die Dame hinter der Reception verstohlen zulächeln und sich darüber freuen, dass ich heil wieder „zu Hause“ angekommen bin.

Thursday, May 07, 2009

Piloten-Trilogie - zweiter Teil














Besatzungen
Wenn Piloten auf Reisen gehen, die ihnen Computer und EinsatzplanerInnen zusammengetragen haben, lassen sie ihre Familien zurück und werden Teil einer Besatzung. Vor fünfzehn Jahren dauerten Langstreckenrotationen gut und gerne zwei Wochen. In der Manier eines Kängurus hüpften Männlein und Weiblein durch die Welt, legten hier und dort einen meist mehrtägigen Zwischenstopp ein, den die einen zum Verzehr (von Alkoholischem und gut Gewürztem), die anderen zum Verkehr (mit zumeist Gegengeschlechtlichem) nutzten.
Heute, im Zeitalter ultralanger Direktflüge, sind die Rotationen geschrumpft und dauern nur wenige Tage. Doch so kurz ein Auftenthalt im Ausland auch sein mag, Flugzeugbesatzungen bleiben Arbeits- und bis zu einem gewissen Grad auch Freizeitgemeinschaften. Piloten und Flight Attendants sind aufeinander angewiesen. Die Individuen bilden das Team. So entstehen bei jedem Flug neue Bekanntschaften, denen zwar in den meisten Fällen eine gewisse Oberflächlichkeit anhaftet, die aber dennoch „überlebenswichtig“ sind. Nicht selten geht zusammen aus, wer im Flugzeug auch zusammen arbeitet; die Flight Attendants vom Business-Galley, das Team, das sich um die Economy-Passagiere kümmert, oder die Cockpitcrew mit dem Cabin Manager. Die Besatzung eines Grossraumflugzeuges umfasst 13 bis 19 Personen: Schweiger, Denker, Angeber. Realisten, Träumer, Fantasten. Selbstverständlich nicht nur männlichen Geschlechts. Bei Etihad vermischen sich ausserdem die mannigfaltigsten Kulturen und Religionen. Muslime essen "Halal-Meat" und besuchen daher im Ausland nicht dieselben Lokale wie Asiaten, deren Sinne und Gaumen es eher nach Schweinefleisch gelüstet.
Ich habe so manche lustige Runde in Erinnerung, bei der getrunken und gelacht wurde. Doch es gibt auch immer wieder Tränen, Unstimmigkeiten und Enttäuschungen. Mitunter auch Schicksalsschläge. Nie vergessen werde ich das Crewbriefing in Zürich bei meinem ersten Arbeitseinsatz nach dem Absturz von Swissair 111. Versteinerte Gesichter, gerötete Augen und hie und da ein Schneuzen. Wir versuchten uns auf den bevorstehenden Flug nach Boston zu konzentrieren, doch Gedanken und Gefühle waren an einem anderen Ort.
Besatzungen sind Schicksalsgemeinschaften, deren Mitglieder – nolens volens – voneinander abhängig sind. Auch wenn dies nicht immer in gleichem Masse offenkundig wird. Im Idealfall ergänzen sich die Mitglieder einer Crew: Der Captain ist das Hirn, der Cabin Manager das Herz einer Besatzung. Diese Anschauung hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, sondern wiederspiegelt ganz einfach mein persönliches Empfinden. Stimmt zwischen diesen beiden „Organen“ die Chemie, ist das Klima locker und entspannt.
Denn auch hier gilt: „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.“

Wednesday, May 06, 2009

Piloten-Trilogie - erster Teil

Piloten steuern Flugzeuge. Grosse und kleine, schnelle und langsame, alte und neue. Piloten klammern sich an Steuerknüppel, Gashebel und Reglemente. Piloten befördern Passagiere oder Fracht über alte und neue Kontinente, indische, stille oder atlantische Ozeane. Zwar werden sie redlich dafür entschädigt, doch, wie wir mittlerweile alle wissen, ist Mammon allein nicht entscheidend für Glück und Wohlbefinden. Die Qualität meines beruflichen Umfeldes wird vielmehr durch andere Faktoren bestimmt; meinen Einsatzplan beispielsweise, die Zusammensetzung der Besatzungen oder die Lage und Qualität der Hotels.

Bevor nun aber der eine oder andere Berufsgenosse lauthals widerspricht sei erwähnt, dass diese Aufstellung individueller Natur ist. Wie nicht jedermann BMW oder Toyota bevorzugt oder sich nicht jede Frau gleichermassen an Bratt Pitt oder George Clooney ergötzt, so sind auch nicht für alle Flugzeugführer harmonische Besatzungen, vielfältige Destinationen oder ein gemütliches Hotelzimmer von gleicher Wichtigkeit.









Einsatzplan
Die Spannung steigt jeweils gegen das Ende eines Monats. Normalerweise publiziert mein Arbeitgeber die Einsätze am 26. des Vormonats. Manchmal auch einen Tag später – selten früher. Der individuelle Einsatzplan wird weder nach Hause, noch ins Company-Postfach geschickt. Er ist einzig und allein im Internet ersichtlich. Der Einsatzplan setzt, mehr als viele denken mögen, die Leitplanken für mein berufliches wie auch mein privates Leben, beeinflusst Eheglück und Kindererziehung. Das Abtauschen einzelner Rotationen ist zwar möglich, erweist sich in der Praxis allerdings als aufwendig und kompliziert. Dem Einsatzplan fallen nicht nur Elternabende, Konzertbesuche, Abendessen mit Freunden, Familienausflüge und Arzttermine zum Opfer. Der Einsatzplan entscheidet auch über Schlaf und Wachsein, er jagt uns in krachende Monsumstürme oder monströse Blizzards. Er lässt uns im Regen landen oder im Sonnenschein flanieren. Und obwohl mehrheitlich mit Computerunterstützung erstellt, werden Einsätze von Menschenhand manipuliert: EinsatzplanerInnen stehen in der Hierarchie weit über den Chefpiloten. Heimlich beschenkt oder laut gehasst, aber omnipräsent. EinsatzplanerInnen verfügen über Macht. Ihr Schaffen hat weitreichende Konsequenzen, denn die Summe mehrerer Einsätze bestimmt nicht zuletzt auch die Zusammensetzung einer Besatzung.

Doch mehr darüber morgen...

Sunday, May 03, 2009

Wenn Winehouse kallobiert






Genau – ihr habt schon richtig gelesen und leidet weder unter Wahrnehmungsstörungen noch unter Hullazinationen.
Der Titel ist richtig, ich habs vor wenigen Muniten im „Online-Tiga“ gelesen und sicherheitshalber gleich noch den Bildbeweis angefügt: Die Winehouse ist kallobiert: Nicht im nebligen London, sondern unter südlicher Sonne. Der Hitze erlegen quasi. Poradax an der Angelegenheit ist, dass die sonst schluckfreudige Sängerin – entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten – für einmal zu wenig an der Flasche gineppt haben soll. Vielleicht weil lediglich Wasser drin war. Oder Calo, oder sonstwas softiges.

Politen haben übrigens – und deshalb passt der Beitrag so treffend in diesen Blog – mit ähnlichen Preblomen zu kämpfen: die geringe Luftfeuchtigkeit in der Flugzeugkibane von rund fünf Prezont verlangt nach Flüssigkeit. Mindestens ein Liter pro vier Stunden. Da täte sich Winehouse zweifellos schwer. Wahrscheinlich wäre sie nicht nur deswegen als Flugzeugführerin ungeeignet.

Dafür kann sie sengin – und wie!