Saturday, December 20, 2008

Die ersten vier Tage

Die Schweiz hat mich wieder! Zumindest für drei Wochen. Die Familie reist portionenweise: Tim hat in Winkelried-Manier den Anfang gemacht, Franziska und Linda bilden die Nachhut.
Bis Angetraute und Zweitgeborene im Schneegestöber eintreffen, bleiben mir vier Tage im Zürcher Unterland. 96 Stunden zur Erledigung einiger Weihnachtsgeschäfte und zum Abbau angehäufter Pendenzen in Sachen Steuern und Wohneigentum.
Am Sonntagabend landen Nina und ich kurz vor 20 Uhr auf Klotener Boden. Toni holt uns ab und gemeinsam fahren wir in’s Ackermannsche Domizil. Der Raclette-Ofen steht betriebsbereit auf dem Tisch, die Weissweinflasche ist geköpft, der Schmaus kann losgehen.

1. Tag
Am nächsten Morgen geht’s zu den Schwiegereltern ins Emmental. Toni anerbietet sich als Chauffeur. Franziskas Vater hat unseren Wagen aus dem Diemtigtal geholt und mit vier neuen Winterreifen bestücken lassen. Kurz vor dem Mittag erreichen wir das Ziel. Begrüssungskaffee, kurzer Schwatz, dann machen sich Toni und Andrea wieder auf den Weg. Nina und ich bleiben zum Mittagessen. Bevor wir die Heimreise antreten drückt mir der Schwiegervater einen Stapel Briefe in die Hand. Das Erledigen von Pendenzen ist Bestandteil jedes Schweiz-Aufenthaltes.
Gegen vier Uhr lade ich Nina bei einer Schulfreundin in Stadel ab. Sie wird dort übernachten. Während sich die Mädchen freudig begrüssen, bin ich in Gedanken bereits bei meinem nächsten Ziel: In einer halben Stunde erwartet mich der SWISS Airbus-Chefpilot zwecks Besprechung einer allfälligen Rückkehr im Rahmen der „Option to return“. Ich deponiere meinen schriftlichen Antrag für eine Verlängerung derselben, konkrete Resultate ergeben sich in der Diskussion allerdings keine. Dann treffe ich meinen Bruder an seinem Arbeitsplatz in Oerlikon. Nach einem gemeinsamen Kaffee machen wir uns auf ins Squash-Center. Zu viert jagen wir in zwei Courts während 90 Minuten den kleinen grünen Ball. Das anschliessende Bier wird zum Hochgenuss und entschädigt für die inzwischen nagende Müdigkeit. Abu Dhabi ist uns drei Stunden voraus, mein Körper schwebt irgendwo zwischen den Emiraten und der Schweiz.

2. Tag
Ein böses Erwachen. Mein Laptop, unentbehrlicher Freund und steter Begleiter, bockt. Lässt sich nicht mehr starten. Hilflosigkeit, Panik. Dank eines Tipps per SMS gelingt es mir, die bösen Viren, die ich nicht rief und die auf meiner Festplatte ausgelassen festen, zu vertreiben. Dann wollen Nina und ich uns die Haare schneiden lassen. Anschliessend Mittagessen mit Schwägerin und ihrem Sohn. Der Espresso-Schaum klebt noch an meinen Lippen, als wir uns auf den Weg zur Steuerberaterin machen, wo wir Dokumente und gute Wünsche zum Jahreswechsel austauschen. Nachher will Nina Bastelmaterial kaufen. Keine einfache Sache für einen wie mich, der mit seinen Händen gerade einmal eine Glühbirne auswechseln kann und von Farbenlehre keine Ahnung hat.
Am Abend Nachtessen mit Tim, meinem Bruder und dessen Söhnen im australischen Lokal in Winterthurs ehemaligem Industriequartier. Ob es Zufall ist, dass das AEROPERS-Contolling Team lediglich drei Tische neben uns tafelt...?

3. Tag
Es ist noch dunkel, als der Wecker klingelt. Der Wagen ist schneebedeckt. Die Strassen ebenfalls. Es schneit seit dem frühen Morgen. Nina will der Oberstufe Stadel einen Besuch abstatten. Um 07.30 Uhr hüpft sie vor dem Schulhaus gutgelaunt aus dem Auto. Meinerseits tuckert in Schneetreiben und Morgenverkehr nach Neftenbach, wo Tim zusteigt. Gemeinsam wollen wir in der Eishalle Dübendorf die Staffel 13 beim traditionellen UeG-Hockeyturnier unterstützen. Doch Frau Holle macht allen einen Strich durch die Rechnung. Auf der Autobahn dominieren Stau, Stillstand und Stagnation. Viel zu spät erreichen wir das Ziel. Das Spiel ist bereits fortgeschritten und nach wenigen Minuten ertönt die Schluss-Sirene. Die Dreizehner gewinnen, zumindest das Resultat stimmt. Kurzer Kaffee in der Stadionbeiz, dann bringe ich Tim zum Bahnhof. Er will in der Kanti Bülach Freunde treffen. Es folgt das zweite Spiel der Staffel 13. Ich stehe an der Bande. Die Schlacht tobt hin und her und endet schliesslich unentschieden. Ein letzter Schwatz auf dem Parkplatz und weiter gehts. Zurück zur Wochenbasis im Zürcher Unterland. Zeit für Mandarinen und Nüsse mit den Gastgebern. Auch Nina und Tim sind zugegen. Am frühen Abend holen wir meinen Patensohn ab. Anschliessend Besuch der Aufführung „Ewigi Liebi“ in der Maag-Eventhalle in Zürich. Standing Ovation, Begleichung der Parkgebühr und Rückfahrt über Neftenbach mit Ablad der beiden Jungs. Wieder in Neerach falle ich kurz nach Mitternacht todmüde ins Bett.

4. Tag
Wieder früh aufstehen. Und wieder auf nach Neftenbach. Mein Wagen sollte die Route längst auswendig kennen! Ein verschlafener Tim setzt sich neben mich, dann brausen wir über die Autobahn nach Zürich. Für einmal gibt der Verkehr kein Grund zum Klagen. Wir finden sogar einen Parkplatz. Caffé Latte bei Starbucks, dann auf zur „Sport Clinic“, wo Tim für eine sportärztliche Untersuchung angemeldet ist. Er strampelt sich auf dem Velo unzählige Schweisstropfen aus dem volljährigen Körper. Derweilen die Nadel zwecks Messung der Laktat-Werte immer wieder in sein rechtes Ohrläppchen sticht. Nachdem uns Babs die Resultate ausführlich erklärt hat, geniessen wir mit ihr ein kurzes Mittagessen. Dann gehts weiter nach Embrach zum grössten schweizer Hockeyausrüster. Einkauf von Hockeytasche, Helmvisier und Mundschutz. Die Schlittschuhe werden neu geschliffen, die Rechnung beglichen. Tim nach Neftenbach gebracht, später in Neerach Papier geordnet. Um 1800 Uhr Besuch der WG, die unser Stadler Haus bewohnt. Die Zusammensetzung hat geändert, der Mietvertrag muss angepasst werden. Viel Zeit bleibt nicht, denn bereits um 1900 Uhr wartet eine gemütliche Runde aufs gemeinsame Nachtessen. Nina zeigt Anzeichen von Grippe: Kopfschmerzen, Schluckweh und Fieber. Der Zeitpunkt ist schlecht gewählt, aber das ist er in solchen Fällen eigentlich immer. Wir versuchen es mit einer Brausetablette, wie sie in TV-Spots immer wieder angeboten wird und rasche Linderung verspricht. Ein Arzt oder Apotheker zur Rückfrage ist leider nicht zugegen. Die Zeit drängt, mein Handy bimmelt; ein SMS von Franziska und Linda, die in Abu Dhabi soeben das Flugzeug bestiegen haben. Wir erwarten sie morgen um 09.30 Uhr in Kloten.
Dann werden wir ins Diemtigtal fahren. Dann werden wir Verwandte treffen. Dann werden wir Weihnachten feiern. Und dann werden wir Ski fahren. Spätestens jetzt sollten es alle erkannt haben: „Expatrioten“ leben unbeständig.

Friday, December 12, 2008

Feiertage

Nach dem Samichlaus – in dessen Namen ich übrigens auch auf eine Kurzmission geschickt wurde – und Volljährigkeit baumeln unsere Seelen in den UAE bereits wieder in der ansteckenden Gelassenheit wichtiger Feiertage. Am 2. Dezember zelebrierten die Emirate ihren 37sten Nationalfeiertag.

Es ist für einen Zentraleuropäer schwer vorstellbar, wie üppig sich der bunte Lichterschmuck der Stadt präsentiert. Jedes der unzähligen „Roundabouts“ ist bestückt mit grellen, weiss oder hellblau leuchtenden Strahlenbündeln, und um die Stämme sämtlicher Palmen entlang der Strassen sind schlangengleich dichte Leuchtketten geschlungen. Zwischen den einzelnen Bäumen liessen die Stadt-Dekorateure Tafeln mit einer rot oder blau leuchtenden Zahl „37“ oder dem diagonal angeordneten Schriftzug „UAE“ platzieren. Die Summe aller Leuchtkörper lässt die Nacht förmlich zum Tag erstrahlen und es kann vorkommen, dass der eine oder andere Autofahrer darob vergisst, sich nach Sonnenuntergang seiner Sonnenbrille zu entledigen. Was bei den „Locals“ allerdings nicht aussergewöhnlich ist, denn die Sonnenbrille, vornehmlich aus den Häusern Guggi, Armani oder Pierre Cardin, wie auch das Handy gehören eh zu ihren ständigen Begleitern. Wer zu Fuss unterwegs ist – was nur in Notfällen vorkommt – montiert sich gleich ein ganzes Set bestehend aus Kopfhörer, Mikrofon und Verbindkungskabeln unter die flatternde „Gatra“, „Kufiya“ oder "Abbaya" und ist auf diese Weise auch mit gefüllten Einkaufstaschen jederzeit „kommunikationsbereit“.
Auch die nächtliche Fahrt entlang Abu Dhabis Renommierstrasse wird zum besonderen Erlebnis, erstrahlen doch die Hochhäuser entlang der Corniche ebenfalls in ausgefallenem Lichterglanz. Am Abend des Nationalfeiertages würde ich allerdings von dieser Route abraten, denn der Verkehr erreicht unerträgliche Spitzenwerte. Selbstverständlich sind auch die Autos entsprechend dekoriert und beklebt; wild flatternde Fahnen und Kleber in den Farben Rot, Grün, Weiss und Schwarz. Die Priorität ist unmissverständlich: Es geht um die Grösse der bunten Insignien, und weniger um die Sicht des Fahrers oder der Fahrerin. Schliesslich wird der „National Day“ nur einmal im Jahr gefeiert. Mit dem monumentalen Feuerwerk beim Hotel Emirates Palace schliesslich erreichen die Feierlichkeiten den absoluten Höhepunkt.

Eid al Adha
Die Wogen des Nationalfeiertages haben sich kaum geglättet, da kündigt sich „Eid al Adha“ an. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, sei hier nochmals angefügt, dass es sich dabei um das wichtigste islamische Fest handelt: Es wird zum Höhepunkt des „Hadj“, der Pilgerfahrt nach Mekka, und findet in der Regel rund 70 Tage nach dem Ende des Ramadans statt. Aufgrund des islamischen Mondkalenders kann das Opferfest zu jeder Jahreszeit stattfinden, die Verschiebung findet rückwärts im Sonnenkalender um meist elf Tage statt. Und heuer sind diese Feiertage eben vom 8. bis 10. Dezember. Diese Kumulation von Festivitäten ist auch der Grund, weshalb die Amerikanische Schule den ganzen Monat geschlossen hat, während die Deutsche Schule ihre Klassenzimmer vor Weihnachten nochmals eine Woche „reaktiviert“. Linda nimmt es knurrend zur Kenntnis.
Auch mich straft das Schicksal, bin ich doch während „Eid al Adha“ im Flight Safety-Büro eingesetzt. Und ich sitze ziemlich verlassen und einsam in meiner bescheidenen Ecke. In weiser Voraussicht erkundige ich mich zwar am Vorabend des ersten Bürotages bei einem Kollegen über die zu erwartenden Arbeitszeiten. Doch der meint, für uns würde sich nichts ändern; internationale Airlines bewegen ihre Apparate ungeachtet aller Welt-Religionen. Die Erklärung leuchtet ein, und so kämpfe ich mich am nächsten Morgen aus den Federn, unter die Dusche und hinters Lenkrad unseres ungewaschenen Zweitwagens. Um wenig später im Büro festzustellen, dass der nette Kollege die Lage definitiv falsch beurteilt hat. Er selber hat übrigens frei, was ich ihm von Herzen gönne, schliesslich ist er praktizierender Muslim.
Um 0800 Uhr hauche ich meinem Computer die Lebensgeister ein, dann dauert es beinahe zwei Stunden bis sich die nächste Seele ins Gebäude verirrt. Es handelt sich dabei um eine der Assistentinnen, welche für den „Upload“ der Flugzeugdisketten verantwortlich sind. Erst jetzt kann ich langsam ans Arbeiten denken, bin ich doch auf Gedeih und Verderben auf diese Datenflüsse angewiesen.

Es zeigt sich einmal mehr, wie angenehm wir Piloten doch leben: Am Monatsende wird uns der Einsatz des kommenden Monats zugestellt. Darin sind sämtliche überlebenswichtigen Angaben enthalten wie Destinationen, oder die Zeiten, wann wir uns vor den Flügen am Flughafen zu melden haben. Welch herrliche Entlastung des geschundenen Denkapparates!

Sunday, December 07, 2008

Der Samichlaus wird volljährig!

Der Samichlaus-Tag hat es in sich. Im Besonderen seit 18 Jahren. Am 6. Dezember 1990 erblickt unsere „Erst-Kreation“ Tim das Licht der Welt. Heute wird er volljährig.

Etwas seltsam mutet es schon an. Das älteste Kind macht einen grossen Schritt in die Welt der Erwachsenen. Juristisch ist die Chose gelaufen. Tim kann, ungeachtet elterlicher Einwürfe sein Bankkonto plündern, das Geld verprassen und danach einen Kredit aufnehmen. Zur Feier der neu gewonnenen Freiheit fliegt er mit einem Freund aus seiner Schule bereits am 9. Dezember in die Schweiz. Die beiden haben sich für eine Woche in der Jugendherberge im Zürcher Niederdorf eingemietet.

Vorerst wird in den Emiraten gefeiert: Am Vorabend mit einem Konzertbesuch von „Simple Plan“ in Dubai. Heute Abend im kleinen Familienrahmen in einer „Churrascheria“ im Interkonti. Anschliessend deponieren wir Tim und Linda am „Public Beach“, wo sie Freunde am Lagerfeuer (Bonfire) treffen, bevor schliesslich – kurz vor Mitternacht – zu Hause gemeinsam der obligate Schaumwein gekillt wird.















Ready to celebrate





























Fleisch vom Spiess

Für morgen hat Tim Freunde eingeladen. Es soll gegrillt, gelacht und gefeiert werden. Den Grill bedienen will er selber, Erwachsen sein verpflichtet. Zur selben Zeit erwarten wir neuen Schweizer Besuch: Der Pfarrer, der Franziska und mich vor genau 20 Jahren auf dem Vierwaldstättersee getraut hat, kommt eingeflogen. Auf der Rückreise von Australien. Er und seine Frau werden einen viertägigen Zwischenstopp im Al Qurm Compound einlegen. Wir haben uns seit dem Tag der Hochzeit nie mehr gesehen, lediglich hie und da eine Neujahrskarte oder eine Geburtsanzeige geschickt.

Grund zum Feiern gibt es allemal: Der erwachsene Sohn und die „Porzellan-Hochzeit“ der Eltern. Dazu der Besuch – nicht der alten Dame – sondern des weisen Pfarrers, der übrigens schon lange nicht mehr als Pfarrer wirkt.

Er waltet bereits seit 14 Jahren als Direktor der Strafanstalt Thorberg. Wenn das kein gutes Omen ist....



















Früher gabs Literatur zur Volljährigkeit, heute haben sich die Prioritäten verschoben



















"Cheers!"

Saturday, December 06, 2008

Flug-Lust

Ein Blick ins elektronisch sauber aktualisierte Flugbuch bestätigt mein Gefühl: Der letzte Flug liegt schon lange zurück. Am 15. November ist es, als ich, von Frankfurt kommend, zum letzten Mal einen Airbus zu Boden bringe. Dann gibts einen fehlgeschlagenen Kathmandu-Trainingsversuch im Simulator, einige Freitage sowie einen „Stand by“-Block. Doch die Leute vom Crew Control sind gnädig und lassen mich in Ruh. Die Familie beginnt sich bereits zu beklagen: "Wann gehst du endlich wieder einmal fliegen?" Die lieben Kinderlein, offenbar genervt ob meiner edukativen Einwürfe, scheinen langsam mit ihrer Geduld am Ende. Und bei Franziska meine ich leises Kopfnicken zu erkennen, doch vielleicht unterliege ich hier einer optischen Täuschung.

Ausfälle
Gestern habe ich mein dreitägiges Simulator-Paket mit einem erfolgreich bestandenen OPC (Operator Proficiency Check) abgeschlossen. Al Hamdullilah!
Immerhin gibt mir dies Gelegenheit, wieder einmal Hand an den Sidestick zu legen. Wenn auch die Simulator-Szenarien nur selten entspanntes und genussvolles Steuern zulassen. In drei Tagen, an denen je eine vierstündige Übung ansteht, wissen die Instruktoren virtuos auf ihrer Tastatur zu spielen. Der Anflug unter „Electrical Emergency Power“ fordert mich ebenso wie der simulierte Einflug in die Vulkanasche, gefolgt von einem Ausfall sämtlicher Triebwerke, verbunden mit unverlässlicher Geschwindigkeitsanzeige ("Unreliable Airspeed") und jeder Menge akkustischer Warnungen. Zwar können wir später eines der Aggregate aus seinem „Vulkanschlaf“ erwecken, doch dafür verlangt das ausgeklügelte Drehbuch kurz darauf einen Kollaps des Kapitäns und der Copi muss den angeschlagenen Vogel mit dem noch angeschlageneren Kommandanten alleine landen. Für mich ein eher lockeres Übungselement, bei dem ich, angesichts des konstanten leichten Rüttelns des Simulators, beinahe einschlafe.
Bei anderer Gelegenheit fallen zwei von drei hydraulischen Systemen aus, oder die „Kabinenbesatzung“ meldet nach dem Start einen ausser Kontrolle geratenen Toilettenbrand, der uns zu einer sofortigen Rückkehr zwingt. Geradezu eintönig nimmt sich da der Checkflug mit lediglich einzelnen Triebwerksausfällen oder Startabbrüchen aus.
Die Instruktoren wechseln jeden Tag; mal ist es ein Österreicher, dann ein Australier, und den Check absolviere ich... bei einem Helvetier! Die europäische Übermacht verleiht der ganzen Angelegenheit beinahe Kaffeekränzchen-Charakter. Auf der anderen Seite mahnt mich diese Konstellation an die in wenigen Tagen anstehende Unterredung mit dem SWISS-Chefpiloten zwecks Planung unserer dereinstigen Rückkehr in die Schweiz. Mich beschleicht ein mulmiges Gefühl.

Der Copi bleibt der gleiche, er kommt aus Trinidad und ist dermassen akkurat, dass auch der exakteste aller Schweizer Uhrenmacher nicht mithalten könnte. Meine Wenigkeit schon gar nicht, habe ich mir doch im Laufe der Jahre angewöhnt, gewisse Dinge als gegeben zu betrachten und nicht ständig zu hinterfragen. Als Pilot eines modernen Flugapparates mit vernetzten Systemen läuft mann oder frau bei „Mehrfach-Ausfällen“ in Gefahr, sich in Details zu verlieren. Die Kunst des Handlings besteht unter anderem darin, Unwichtiges auszufiltern und Prioritäten zu setzen. Die elektronischen Warnsysteme präsentieren einem mitunter endlose Checklisten und Statusangaben, die es unmöglich machen, jede Zeile oder jedes Wort zu lesen und zu verarbeiten. Manchmal – bei Rauch oder Feuer beispielsweise – fehlt auch schlicht die Zeit dazu. In solchen Situationen müssen Briefings auf das Wesentliche reduziert werden. Mein Kollege zur Rechten steht unmittelbar vor seiner Kapitänsausbildung. Da ist es nicht nur verständlich, sondern auch vorbildlich, wenn einer die Dinge gründlich angehen will. Vielleicht habe ich mich einfach schon zu sehr an eine gewisse Grosszügigkeit gewöhnt, so dass mich derartiges Präzisions- und Detailstreben manchmal leicht irritiert.

Vol de nuit
Nun habe ich also wieder für sechs Monate Ruhe. Doch in die Luft lassen sie mich immer noch nicht. Nach drei Freitagen steht eine Bürowoche an. Die Kinder haben alle Ferien, die Frau schläft – auch in diesem Fall solidarisch mit dem Nachwuchs – ebenfalls einige Stunden länger, während ich mich frühmorgendlich als einziger aus den Federn kämpfe. Und als Zückerchen gibt es dann Ende der Woche doch noch den lang ersehnten Flugeinsatz. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um einen Nachtflug nach Beirut – und zurück. Doch ich bin aviatisch ausgetrocknet und daher bereit, alles zu akzeptieren. Ab Mitte Monat sind Weihnachtsferien angesagt, der nächste Flug wird frühestens anfangs Januar stattfinden. Ein Grund mehr, die Nachtmission in den Libanon zu geniessen; Mit „Vol de nuit“ hat Antoine de Saint-Exupéry seinerzeit einen Literaturpreis eingeheimst. Für den wirds wohl nicht reichen, „Wüstenspuren“ hin oder her. Dafür werde ich mir im Dutyfree des "Rafic Hariri International Airport" drei Flaschen „Château Kefraya“ kaufen. Und das ist schliesslich auch nicht ohne, oder...?