Friday, July 27, 2007

„Promotion Flight“ to Brisbane

Es gibt sie zweifellos; Die Momente im Leben, in denen einfach alles passt und das Schicksal freudig zuschlägt. Ansatzlos und präzis. So geschehen, diese Woche.

„Hi, it’s Robin from Crew Control. How are you?“ Die Begrüssung klingt zwar freundlich, verheisst aber nichts Gutes. “I’ve got a change for you for tomorrow – but a good one!” Der Nachsatz lässt mich erst recht aufhorchen, denn Crew Controller und Besatzungsmitglieder haben in den wenigsten Fällen die selben Beurteilungskriterien wenn es um Einsatzänderungen geht. In diesem Fall aber hat Robin Recht. „We need you for a special flight to Sydney. You’re doing a promotion to Brisbane“ fügt er an. Hin- und zurück als Passagier, was in der Fachsprache „Dead Heading“ genannt wird, und dazwischen die „Brisbane-Promotion“. Fürwahr verlockend. Noch traue ich der Sache aber nicht. Schliesslich bin ich weder Chefpilot noch mit dem Crew Control verbandelt. Da ich zufälligerweise gerade am Flughafen bin, um meinen Laptop auf den neuesten Stand zu bringen, schaue ich persönlich beim Crew Control vorbei. Die Angelegenheit scheint in der Tat ernst gemeint zu sein. Brisbane statt New York. Zweifellos ein attraktiver Tausch. Ausserdem besiegelt er die in 26 Jahren noch nie erlebte Tatsache, dass ich am Ende dieses Monats keinen einzigen Tag wie im "Roster" geplant gearbeitet haben werde. Mein Juli-Einsatzplan – glatte Makulatur. Auch dies ein Fall für die (privaten) Geschichtsbücher.

Harziger Start
Brisbane, die Stadt an der australischen Ostküste, soll von Etihad Airways ab dem 29. September drei Mal wöchentlich via Singapur – ebenfalls neu im Streckennetz – bedient werden. Eingesetzt wird ein Airbus A330. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und die Verantwortlichen sind bestrebt, den Namen Etihad bereits im Vorfeld mediengerecht zu platzieren. Unser „Jungfern-Flug“ wird zum ersten Mal überhaupt eine Etihad-Maschine nach Brisbane bringen, mit dem A340-500 eine etwas grössere zwar, doch in diesem Fall darf man ruhig ein wenig „bluffen“.
Am Montagmorgen trifft sich unsere „Special Crew“ am Flughafen Abu Dhabi. Die Kabinenbesatzung setzt sich aus drei Australierinnen, zwei Südafrikanerinnen, einem Südafrikaner einer Engländerin und einer Irin zusammen. Alles so genannte „Promotion Crews“. Für sie sind solche Einsätze keine Seltenheit. Nicht so für Ahmed, den Copi aus Malaysia und für mich, die wir als Laien ins kalte Wasser geworfen werden. „Übungen“ dieser Art verlaufen in der Regel immer etwas chaotisch, was bereits beim Check-in deutlich wird. Wir erhalten unsere Sitzplätze nämlich erst nach einigen administrativen Umwegen. Die Tatsache, dass wir in Uniform reisen, jedoch nicht arbeiten, stiftet bei einigen Stellen riesige Verwirrung. Flexibilität ist nicht des Morgenlandes grösster Trumpf! Schliesslich lande ich im Büro des Airport Managers, wo wir uns über Details wie zu benutzender Ausgang, Boarding Card und Ähnliches einigen.
An Bord befindet sich noch eine weitere Gruppe von Mitgliedern des „Promotion Teams“. Sie werden direkt nach Brisbane weiterfliegen, um dort bei den Vorbereitungen zu helfen. Ahmed und ich erhalten einen Sitz in der „Pearl-Class“ (Business), während der Rest der Besatzung mit der „Coral-Class“ (Economy) vorlieb nehmen muss. Die Maschine ist bis auf den letzten Platz besetzt, und beim Start dauert es endlose 50 Sekunden, bis sich die Flugzeugnase schwerfällig zu heben beginnt.

Whale Watching
Nach knapp 13 Stunden Flug, während denen ich unter anderem drei Filme schaue und gut zwei Stunden schlafe, betreten wir australischen Boden. Ryan, der „Airport Manager Australia“, informiert unser Team über den Ablauf des morgigen Tages: Wir fliegen den CEO James Hogan zusammen mit einer kleinen Gruppe lokaler Tourismusvertreter und Etihad-Manager nach Brisbane, wo ein Willkommensakt mit weiteren geladenen Gästen geplant ist. Anschliessend sollen wir das leere Flugzeug wieder nach Sydney positionieren.
Dann bringt uns der Bus ins Hotel. Die Besatzung unterhält sich angeregt, und da alle, ausser Ahmed und ich, englischer Muttersprache sind, bekommen die Gespräche einen völlig anderen Charakter als bei den üblicherweise gemischten Crews. Die verschiedenen Dialekte vermischen sich und zeitweilig fällt es mir schwer, allen Details zu folgen und jeden Witz zu verstehen.
Wir sind nicht, wie üblicherweise in Sydney, im Hotel „Four Seasons“ untergebracht, sondern im Novotel in Darling Harbour. Ebenfalls eine ausgezeichnete Lage, befinden sich doch das IMAX, das „Sydney Aquarium“ und das „Maritime Museum“ in unmittelbarer Umgebung. Ausserdem wimmelt es in dieser Gegend von Restaurants, Bars und Coffeeshops.
Alle sind, trotz des langen Fluges, aufgekratzt und unternehmungslustig. Niemand denkt ans Schlafen. Die Australierinnen haben sich bereits mit Eltern und Freunden verabredet und machen sich unverzüglich auf den Weg. Der Rest trifft sich nach einer kurzen Dusche auf der Terrasse des Hotels, wo bei Kaffee und Tee über das weitere Vorgehen beraten wird. Das Wetter ist trotz des Australischen Winters angenehm mild. Schliesslich entscheiden wir uns für einen Besuch im „Sydney Wildlife World“, einem Tierpark unmittelbar neben dem „Aquarium“. Wir bestaunen Schlangen, Käfer, vielfältige Vogelarten und natürlich Koalas, die faul und träge in ihren Astgabelungen vor sich hin dösen. Der Besuch dauert etwas mehr als eine Stunde. In unmittelbarer Nähe des Ausgangs befinden sich die Ticketschalter für „Boat Cruises“ und „Whale Watching“-Touren. Der angebotene Discount-Preis ist äusserst verlockend und wenig später sitzen wir auf dem Deck eines geräumigen Bootes, das bestenfalls zur Hälfte gefüllt ist. Wir passieren die imposante Harbour Bridge, dann fotografieren wir das Opernhaus zu unserer Rechten, um wenig später aufs offene Meer zu steuern. Nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt sehen wir die ersten hochspritzenden Fontänen, und wenig später den glitzernden Rücken eines „Humpback-Wals“. Wir haben Glück. Immer wieder tauchen die riesigen Meeressäuger auf. Mal links mal rechts. Aber stets nur für kurze Zeit, so dass das Fotografieren zur Lotterie verkommt.
















Gruppenbild mit Wal

Auf dem Rückweg macht sich allgemeine Müdigkeit bemerkbar und die einen übermannt (wieso heisst es eigentlich nicht „überfraut“?) der Schlaf. Nach unserer Ankunft in Darling Harbour bleibt gerade noch genug Energie, um einen Hamburger zu verdrücken, dann gehen wir zurück ins Hotel. Alle hoffen, im Lauf der Nacht etwas schlafen zu können, denn morgen müssen wir früh aus den Federn. Auch ich bin todmüde, und um 2000 Uhr fallen mir vor laufendem Fernseher die Augen zu. Als ich erwache, zeigt die Uhr 0230 Uhr, und der Fernseher läuft noch immer. Ich bin hellwach, was mich eigentlich überrascht, denn in Abu Dhabi wäre jetzt Zeit, ins Bett zu gehen. Meine weiteren Einschlafversuche verlaufen erfolglos. Also bilde ich mich weiter in Venezianischer Kriminaltechnik, lese Donna Leon und warte auf den Crew Call. Um 0510 Uhr klingelt das Telefon. Endlich, denke ich.

Speditive Planung
Als ich 50 Minuten später in der Lobby eintreffe, erblicke ich eine Kabinenbesatzung der in Hong Kong stationierten „Cathay Pacific Airways“. Als mich die ersten im Halbdunkel entdecken, stehen sie sogleich auf, kommen auf mich zu und strecken mir ihre Hand entgegen: „Good morning Captain, I’m Jane“ säuselt eine Dame. Dann kommt Lynne, anschliessend eine Männerhand. „Good morning, I’m not your Captain and I’m not flying with you however it’s nice to meet you all“. Erst jetzt werfen sie einen Blick auf mein Brustabzeichen und erkennen, dass sie sich in der Airline getäuscht haben.
Wenig später ist unsere Crew vollständig versammelt und der Bus bringt uns in der Morgendämmerung zum Airport. Die Maschine von Abu Dhabi ist bereits gelandet. Die Reinigungsarbeiten sind in vollem Gange. Ahmed und ich kontrollieren sämtliche Planungsunterlagen, versichern uns, dass ein ATC-Flugplan aufgegeben worden ist und lassen schliesslich 40 Tonnen Kerosin in die Tanks füllen. Der Sprit soll sowohl für den Hin- als auch für den Rückflug reichen. Als nächstes stellen wir fest, dass nur ein Satz Landekarten für Brisbane an Bord ist und lassen Kopien anfertigen. Ich habe mit meinem Copi vereinbart, dass er als „Pilot Flying“ grundsätzlich für’s Fliegen zuständig sei und ich mich um alles andere kümmern würde. Ich kenne Ahmed gut, war bereits mehrere Male mit ihm unterwegs und weiss, dass er äusserst gewissenhaft und sorgfältig arbeitet. Das gibt mir ein gutes Gefühl und erlaubt mir, den gesamten Ablauf weitgehend mitzuverfolgen. Als wir wenig später im Cockpit unsere Vorbereitungen treffen, streckt sich uns unvermittelt eine Hand entgegen. „Good morning, I’m James Hogan“, begrüsst uns der CEO. Wir unterhalten uns kurz und kommen irgendwann auf den Machtwechsel bei Gulf Air zu sprechen. Seine Antwort ist klar und unmissverständlich, wenn auch mit einer Prise Diplomatie unterlegt. Und sie bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Brisbane – here we are
Pünktlich um 0759 Uhr, eine Minute vor dem geplanten „Push Back“, wird die letzte Türe geschlossen. Dem „Timing“ kommt heute eine wichtige Bedeutung zu, denn wir müssen das Flugzeug zeitgerecht wieder nach Sydney bringen, um einen pünktlichen Rückflug des Linienfluges nach Abu Dhabi zu ermöglichen. Doch bereits kämpfen wir mit dem ersten Problem. Beim Traktor, der uns zurückstossen soll, lässt sich der Gang nicht einlegen. Es dauert zehn Minuten bis der Fehler behoben ist und wir uns schliesslich auf den Weg machen können.
Der Start erfolgt Richtung Norden. Der Himmel ist stahlblau, die Sicht unbegrenzt. Besser könnten die Verhältnisse nicht sein. Wenig später schon, wir sind immer noch im Steigflug, tönt es im Funk: „Etihad 8005 proceed direct to Gold Coast“. Wir drehen Richtung Norden und folgen der australischen Ostküste. In Brisbane wird auf „Runway 19“ gestartet und gelandet. Bei einer Flugzeit von einer Stunde und fünf Minuten bleibt unseren elf Gästen nicht viel Zeit, sich in der Diamond-Class zu vergnügen. Bereits senkt sich die Nase der A6-EHA wieder, wir sinken ab. Durch die Cockpitfenster lässt sich bereits die Umgebung von Brisbane ausmachen. Wir bekommen die Bewilligung zum Endanflug, Ahmed fährt die Landeklappen auf die erste Stufe aus. Inzwischen hat Ryan, den Fotoapparat schussbereit, hinter uns im Cockpit Platz genommen. Noch vor der Landung weist uns der Tower an, die Piste ganz am Ende zu verlassen. Die Zeiger stehen bei 2337 Uhr Greenwich Mean Time als unsere Räder sanft den Boden touchieren. Ein kleines Stück Etihad-Geschichte ist geschrieben – Brisbane, here we are!
















Ostküste Australiens
















Final Brisbane Runway 19













Bild eines "Spotters": Die Landung in Brisbane

Die Sache mit der „Tow Bar
Noch während wir ausrollen werden wir aufgefordert, dem „Follow me car“ zu folgen, der beim Pistenende auf uns wartet. „Follow me cars“ sind heute eine Seltenheit und kommen nur noch bei grösseren Bauarbeiten, Schliessungen von Rollwegen oder auf individuellen Wunsch der Piloten zum Einsatz. Umso mehr schätzen wir es, einfach dem weissen Wagen folgen zu können, ohne mühsam die Rollkarten zu studieren. Unser Ziel ist eine Abstellfläche, die abseits aller grossen Terminals liegt. Von weitem schon erspähen wir die aufgestellten weissen zeltähnlichen Dächer. Da der zur Verfügung stehende Platz etwas eng ist, erwartet uns ein „Push Back Traktor“. Wir halten an und stellen unsere vier Triebwerke ab. Dann sollen wir vor die im Zelt wartenden Gäste geschleppt werden. Doch heute klappt es nicht so mit den Traktoren und Kupplungen. Die Mechaniker merken nämlich, dass sie mit einer „Tow Bar“ (Verbindungsstange) für einen A340-300 ausgerüstet sind. Die passt bei uns nicht. Peinlich. Die gespannten Gäste warten unter dem Zeltdach auf uns und müssen erkennen, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich mache eine kurze Ansage am „PA“, wenig später steht der CEO im Cockpit. Er wirkt nicht glücklich und will wissen, was los ist. Ryan indes hängt bereits am Handy und versucht, den Schaden in Grenzen zu halten. Wir schlagen vor, zwei Triebwerke zu starten und mit eigener Kraft vor’s Zelt zu rollen. Etwas skeptisch stimmen die Mechaniker schliesslich zu. Der zur Verfügung stehende Platz ist eng, und damit wir das Flugzeug wie vorgesehen parkieren können, müssen wir 90 Grad nach links und sogleich 90 Grad nach rechts drehen. Doch wir werden bestens eingewiesen und zirkeln den Airbus im Schritttempo vor die wartende Menge. „Master switches off, seat belts off“. Am Boden wird bereits der rote Teppich ausgerollt. Fernsehkameras und Fotografen stehen bereit, ebenso vier adrette Etihad-Hostessen und zahlreiche schick gekleidete Gäste. James Hogan verlässt als erster das Flugzeug, strahlt, und schreitet die Gangway hinunter.
















Grosser Empfang in Brisbane
















Strahlender Mittelpunkt;"unsere" A6-EHA
















Auf dem roten Teppich
















Hello Brisbane!

Interessierte Besucher
Uns bleiben etwas mehr als eine Stunden Zeit, den A340-500 zu präsentieren. Zuerst jedoch stehen diverse Ansprachen auf dem Programm. Anschliessend sollen die Anwesenden Gelegenheit erhalten, einen Blick in unser Flugzeug zu werfen. Wir bereiten uns auf die Besucher vor, die Kabinenbesatzung trägt Lippenstift auf, zupft widerspenstige Haarsträhnen und zerknitterte Foulards zurecht. Dann besteigen die ersten Schaulustigen mit neugierigem Blick über die hintere Treppe die Kabine, schlängeln sich nach vorn, wo sie – meist nach einem kurzen Blick ins Cockpit – das Flugzeug wieder verlassen. Das Innenleben, insbesondere die „Diamond Class Lounge“ scheint zu gefallen. Hie und da werden Fotos geschossen, ein Filmteam kommt auch an Bord. Ahmed arbeitet derweil fleissig und füttert das FMS (Flight Managment System) mit den Daten für den Rückflug. Pünktlich um 11.15 Uhr werden die Türen geschlossen. Ausser der Besatzung, den beiden mitgereisten Emirates-Mechanikern und einem Security Guard aus Sydney ist niemand mehr an Bord. Ein letztes Winken durchs offene Cockpitfenster, dann rollen wir gemächlich wieder Richtung Startpiste. Mit 200 Tonnen hebt der A340-500 wie ein Hubschrauber vom Boden ab. Es folgt eine enge Rechtskurve und der Flughafen und die Stadt erscheinen auf der rechten Seite. Immer noch herrscht Bilderbuchwetter. Der Rückflug verkommt zum Fotoflug, die Stimmung ist bestens, alle sind glücklich über den zumindest aus unserer Sicht gelungenen Anlass.
Sydney erblicken wir schon von weitem. In einer Höhe von 6000 Fuss (2000 Meter) überfliegen wir die Stadt, sehen Opernhaus und Stadtzentrum direkt unter uns. Die Fotoapparate blitzen um die Wette, das Cockpit ist gut gefüllt. Schliesslich erhalten wir die Erlaubnis für einen „Visual Approach Runway 34L“. Wie mit Ahmed vereinbart übernehme ich das Steuer in der letzten Phase des Anflugs und lande kurz vor 13 Uhr wieder auf der selben Piste, auf der wir vor etwas mehr als vier Stunden abgehoben haben. Pünktlich parkieren wir den Airbus am Gate. Der Rückflug nach Abu Dhabi ist gesichert. Mission completed!
















Vorbereitung für den Sinkflug
















Sydney mit Opernhaus und Harbour Brigde

Feuchtfröhlich Feier
„Tonight we gonna drink!“ hat mir die Cabin Crew bereits auf dem Rückflug versichert. Ahmed und ich haben auch nichts dagegen. Die Damen sind wild entschlossen. Es soll gefeiert werden. „We’ve been writing a little piece of Etihad history“ meinen sie, und wo sie Recht haben, haben sie Recht.
Die gesamte Besatzung trifft sich um viertel nach sechs in der Lobby. Die Frauen top gestylt und besessen vom Gedanken, sich ins lokale Nachtleben zu stürzen. In der „Cargo Bar“ in Darling Harbour legen wir los. Ich wusste ja, dass den Australiern – Männern wie Frauen – reger Trinkgenuss und grosse Standfestigkeit nachgesagt wird. Dass die Exponentinnen aus Südafrika, England und Irland aber über mindestens die gleichen Schluckkapazitäten verfügen, war mir bis anhin nicht bekannt. Nun weiss ich es. Es würde an dieser Stelle definitiv zu weit führen, die Details des Abends und der Nacht aufzuzeichnen. Dies wäre eher ein Kapitel für eine Neuauflage von „Tausendundeiner Nacht“. Gefeiert jedenfalls wird. Und die Kommunikation erschwert sich nicht nur der lauten Musik oder der Sprache wegen von Stunde zu Stunde (oder von Glas zu Glas)...
Der Rückflug nach Abu Dhabi am nächsten Tag startet erst am Nachmittag. Wie bereits beim Hinflug, reisen wir „Dead Heading“. Ich habe Glück und erhalte einen Sitz in der „Diamond Class“, in dem sich die 14-stündige Reise äusserst angenehm ertragen lässt. Kurz vor Mitternacht sind wir wieder in Abu Dhabi. Die Erlebnisse der vergangenen vier Tage lassen mich nicht los. Noch lange werde ich davon zehren. Mit Sicherheit ein absolutes „Highlight“, das für so manchen verpassten Ferientag oder abgelehnten Freiwunsch kompensiert.
Und sollten - ganz zufälligerweise - mit dem Schicksal hadernde Mütter zukünftiger Piloten diesen Bericht lesen, so müsste spätestens in diesem Moment die Einsicht reifen, dass gegen dergestaltige Träumereien und Fantastereien mit der Ratio nur sehr schwer anzukommen sein dürfte.
















Im Hintergrund die Skyline von Sydney


Bereits hat ein erster „Spotter“ Bilder im Netz veröffentlicht. Wen’s interessiert, der blättere in folgendem Link:
http://www.flickr.com/search/groups/?w=64566829@N00&q=etihad+brisbane&m=pool

Tuesday, July 24, 2007

Dosé hat genug...

Ich hab's in Sydney erfahren. Per SMS. Dann - kaum im Hotel angekommen - sofort im Internet gesucht und bestätigt gefunden.
Folgender Link bringt euch direkt zum Bericht der "Gulf News":

http://www.gulfnews.com/business/Aviation/10141462.html

Auf eine Passage des Textes sei besonders hingewiesen:
"On his relations with the Union, Al Aradi said Dose wasn't cooperative with them as he declined all union members' requests to meet him".

Da erübrigt sich jeder Kommentar.

Die Situation ist insofern amüsant, als dass ich aus der Reserve kurzfristig "Dead Head" (als Passagier) für einen Sonderflug nach Sydney geschickt wurde. Von dort werden wir morgen einen "Promotion Flight" nach Brisbane operieren: mit unserem CEO James Hogan an Bord, dem Vorgänger von Dosé bei Gulf Air. Etihad wird ab September via Singapur mit Brisbane die zweite Destination in "Down Under" anfliegen. Da kann etwas Werbung und Klimbim nicht schaden.

Ein spezieller Bericht zu dieser Mission wird in Kürze folgen.

Saturday, July 21, 2007

Sim-Check, Line-Check, Pay-Check

Neben vergnüglichem Shisha-Genuss gilt es für den (in Abu Dhabi) Zurückgebliebenen regelmässig, neue berufliche Herausforderungen zu meistern. Nicht nur anspruchsvolle Flüge mit schlechtem Wetter und manchmal nebulösem Ausgang. Regelmässig „locken“ der Simulator oder Prüfflüge im alltäglichen Streckeneinsatz, sogenannte „Line-Checks“. Im einen Fall einmal pro Halbjahr, im anderen alle zwölf Monate. Es besteht die akute Gefahr, dass der nachfolgende Blogeintrag etwas fachlastig ausfällt. Die geneigten und ebenso geschätzten „Nicht Aviatiker“ und „IW’s“ (Irgendwers) unter der Leserschaft seien hiermit gewarnt.
Das Simulator „Taining und Checking“ läuft grundsätzlich nach ähnlichem Muster ab wie in der Schweiz. Auch wenn Etihad nicht nach den Vorgaben der JAA (Joint Aviation Authorities) arbeitet, so funktioniert das lokale GCAA (General Civil Aviation Authorities) nach ähnlichem Modus. Mit nicht immer den genau gleichen Vorzeichen allerdings, wäre hier anzufügen.

Gemeinsame Vorbereitung
Beim Simulatortraining beispielsweise wird – anders als bei der SWISS – den Kandidaten zuerst Gelegenheit zum Trainieren geboten. „Gecheckt“ wird erst am zweiten Tag. Die Übungen selber sind ähnlich aufgebaut. Die Art und Weise der Instruktion variert allerdings und hängt nicht zuletzt stark von der Nationalität der Instruktoren ab. Hier offenbaren sich unterschiedliche Lehr- und Lernkulturen und sorgen mitunter für die eine oder andere Überraschung.
Für mein „Recurrent Training“ ist ein Instruktor aus Malaysia geplant. Die Malayen geniessen innerhalb der Firma einen speziellen Ruf. Dies hat seine Gründe. Sie kennen die Bücher bis ins letzte Detail und sind jederzeit in der Lage, Fakten und Zahlen auswendig abrufen zu können. Versteht sich von selbst, dass sie entsprechende Ansprüche an ihre Schützlinge stellen. Doch das Schicksal meint es insofern gut mit mir, als dass mein Copilotenkollege ebenfalls aus Malaysia stammt. Mehr noch, der glückliche Zufall (wenn es denn einen solchen gibt...) will es, dass die beiden aus früheren Malaysia Airlines-Zeiten sehr gut befreundet sind.
Fadhil, so der Name des Copi, fragt mich bereits einen Monat vor den beiden Übungen an, ob ich Interesse an einer gemeinsamen Vorbereitung hätte. So treffen wir uns bei mir zuhause und gehen die Übung detailliert durch. Insbesondere weist mich Fadhil auf die zu erwartenden Besonderheiten des Briefings hin. Die Themen des ersten Tages sind vielfältig und reichen von ETOPS (Extended Twin Operations) über MNPS (Minimum Navigation Performance Specifications) inklusive der entsprechenden „Contingency-Procedures“ bis hin zu „Dual Hydraulic Failures“. Fadhil ist bestens im Bild und weiss genau, was uns erwartet. Wir tauchen ein in die Tiefen von FCOM (Flight Crew Operation Manual), FM (Flight Manual), FCTM (Flight Crew Training Manual), OM A (Operation Manual) und wie unsere Handbücher sonst noch alle heissen. Bei dieser Vielfalt die Übersicht zu wahren, ist hohe Kunst. Auch nach einem Jahr tue ich mich schwer mit dieser Aufteilung und träume von den klarer strukturierten Unterlagen der SWISS. Regelmässig suche ich Dinge am falschen Ort. Fadhil hingegen kennt sich aus. Souverän springt er zwischen den verschiedenen Büchern hin und her. Wir vertiefen uns in zahlreichen Kapiteln, blättern, lesen, fassen zusammen.
Der Einsatz lohnt sich, ich bin gut vorbereitet.
















Bücherstudium mit Fadhil

Detailliertes Briefing
Der Ablauf des anderthalbstündigen Briefings entspricht denn auch ziemlich genau meinen Erwartungen. Harris, unser Instruktor, stellt sich gleich zu Beginn an die Wandtafel und zeichnet drei Kolonnen für die Bereiche ETOPS, MNPS und RVSM (Reduced Vertical Separation Minimum). Dann folgt eine detaillierte, Diskussion, die sich anhand der verschiedenen Flugphasen orientiert. Minutiös forscht Harris nach den jeweiligen Mindestanforderungen. Wir stehen geflissentlich Red und Antwort. Bei Unklarheiten wird das Buch, genauer gesagt der Laptop, konsultiert. Ich sehe meine Schweizer Kollegen bereits leise den Kopf schütteln, denn über diese Briefing-Schwerpunkte kann man mit Fug und Recht geteilter Meinung sein. Es stellt sich in erster Linie die Frage nach den Prioritäten. All die hier erwähnten Themenbereiche liefern interessanten Nährboden für Diskussionen bei Streckeneinführungen oder Line-Checks, nicht aber für eine Simulatorübung. Technische Hintergrundinformationen, „Abnormal oder Emergency Checklisten“ wie auch Verfahrensaspekte werden kaum angesprochen. Hier zeigt sich einmal mehr, mit welch unterschiedlichen Vorgaben einzelne Airlines und Nationen die Bereiche „Training und Checking“ angehen.

Im Simulator
Das LOFT-Szenario (Line oriented Flight Training) im Simulator hingegen ist vergleichbar mit SWISS-Standards. Wir fliegen von Toronto nach Brüssel, wo wir natürlich nie ankommen. Trainiert werden sollen diesmal auch die Verfahren bei „Winter-Ops“, was bei einer in der Wüste beheimateten Airline keine alltägliche Sache ist. Aus diesem Grund gehen die Verantwortlichen gar so weit, dass nach dem Triebwerkstart im Simulator das ganze Enteisungsprozedere in voller Länge durchexerziert wird. Einmal mehr wäre für uns Schweizer solches undenkbar. Zu kostbar sind die teuren Simulatorstunden. Auch ETOPS- und MNPS-Elemente, beispielsweise ein doppelter Hydraulikausfall und das entsprechende Umkehrmanöver über dem Nordatlantik werden ausführlich durchgespielt. Das Ganze endet mit einem „LOC BC-Approach“, einem heutzutage äusserst selten zur Anwendung kommenden Anflugverfahren unter erschwerten Bedingungen und einer Ausweichlandung im kanadischen Goose Bay.
Für den Simulator-Check am nächsten Tag erwartet uns ein deutscher Instruktor. Ich fühle mich schon beinahe wieder wie „zuhause“, denn die mitteleuropäische Denkweise ist unverkennbar. Das Briefing vor dem Simulator fällt in der Regel kürzer aus als bei meinem früheren Arbeitgeber. Die Kontrollfragen entfallen, da den Kandidaten bereits im Vorfeld, zusammen mit den Unterlagen, ein „Questionnaire“ verteilt wurde. Der Check teilt sich auf in eine erste Phase, in der die vom Gesetzgeber verlangten Elemente abgespult werden. Anschliessend folgt der „Low Visibility“-Teil. In der Regel auf einem anderen Flugplatz. Dann gilt es, Nebelstarts und –landungen mit diversen Störungen fehlerfrei und verfahrenstreu zu absolvieren. Nach vier Stunden hat der Spuk ein Ende und meine „Arbeitslizenz“ wird wieder um ein halbes Jahr verlängert.

Line-Check
Nur wenige Tags später ist auch mein „Line-Check“ fällig. Obwohl anfänglich von den Planungsstellen vergessen (!), gelingt es dank vielfältiger Einsatzumstellungen, innerhalb der zeitlichen Vorgaben einen Flug nach Dammam und zurück einzufädeln. Diese Änderungen haben übrigens zur Folge, dass ich im Juli bis heute (21. Juli) nicht einen einzigen Tag wie in meinem ursprünglich publizierten „Roster“ arbeiten konnte!
„Gecheckt“ werden der Copi und ich von keinem geringeren als dem „Vice President Flight Operations“. Der hätte sicher Besseres zu tun, als sich für diesen Hüpfer nach Saudi Arabien hinter uns auf den Jumpseat zu schnallen. Der sudanesische Copi fliegt ganz neu bei Etihad und absolviert seinen Final-Check. Er hat vorher bei Gulf Air gearbeitet und die Vermutung liegt nahe, dass er vor André Dosé geflüchet ist, auch wenn Yassin seinen Abgang in dieser Form nicht bestätigen will...
Fragen werden keine gestellt, für grosse Diskussionen bleibt bei zwei kurzen „Sectors“ von gut 50 Minuten Flug auch kaum Zeit. Das Debriefing findet nach der Landung in Abu Dhabi im Cockpit statt und fällt knapp aus. Viel zu sagen gibt es nicht, und unser „Checkpilot“, der übrigens aus Papua-Neuguinea stammt, macht sich schleunigst wieder auf den Weg ins Büro, wo es Wichtigeres zu erledigen gibt.

A340-600
Doch noch ist nicht genug trainiert. Diesen Monat erhielt Etihad den ersten Airbus A340-600. Das Flugzeug wird vorerst primär für die Operation nach Toronto eingesetzt. Obwohl grundsätzlich keine gesetzlichen Bedingungen ein zusätzliches Training für 500-er Piloten verlangen, bietet unsere Airline sämtliche Piloten für eine Simulatorübung auf. Vorgängig muss ein Differenzprogramm im Laptop studiert werden, zu dem natürlich ebenfalls die obligate Fragensammlung gehört. Die ursprünglich geplante Streckeneinführung wurde hingegen bereis wieder aus dem Programm gekippt, nachdem die ersten „Flight Trainings“ problemlos verliefen. So trabe ich gut drei Wochen nach meinem Simulator-Check erneut an. Glücklicherweise sind mittlerweile die ersten beiden Etihad eigenen Simulatoren im neuen Trainingszentrum in Abu Dhabi in Betrieb, so dass die mühsame Taxifahrt nach Dubai und zurück entfällt. Der Gebäudekomplex befindet sich allerdings noch weit von seiner Fertigstellung entfernt und erweckt mehr den Anschein eines Provisoriums. Der Weg über sandige und staubige Parkplätze hinterlässt denn auch Spuren, die eine umfassende Nachbehandlung fordern: die Schuhe werden anschliessend neu poliert und die Uniformhose (Simulatortrainings finden in Uniform statt) wandert direkt in die Reinigung.
Wir sind gleich zu fünft für die vierstündige Session geplant. Ausschliesslich Kapitäne; aus Italien, Australien, der Schweiz und von den Philippinen. Instruiert werden wir von keinem geringeren als dem Chefpiloten persönlich, obwohl auch er mit Sicherheit einige Pendenzen zu erledigen hätte. „We consider this a fun session“ eröffnet er sein Briefing. Angesagt sind „Visual Circuits“ mit und ohne Seitenwind, ein Startabbruch bei maximalem Startgewicht (368 Tonnen) sowie ein „Non precision Approach“ mit Durchstartverfahren. Im Gegensatz zum Simulator-Check tue ich mich hier wesentlich schwerer mit der Maschine. Das Handling des Simulators scheint mir äusserst träge und „gummig“. Die Simulation der höheren Masse bewirkt ein verzögertes und unnatürliches Flugverhalten. Ich rudere mit ungewohnten Steuerausschlägen und bin verblüfft über die filigrane Fliegerei des Kollegen aus den Philippinen. Es ist interessant zu beobachten, wie jeder mit den Tücken des Simulators zurechtkommt (oder eben nicht). Der Chefpilot versichert uns jedoch, dass das Flugzeug selber wesentlich angenehmer und leichter zu kontrollieren wäre.
Damit ist meine A340-600 Einführung abgeschlossen und ich kann ab sofort im Streckeneinsatz eingesetzt werden. Der erste Flug wird, dessen bin ich mir sicher, nicht lange auf sich warten lassen.








Die Liste der Fluzeugtypen wächst...

Pay-Check
Nach so vielen „Checks“ bin ich froh, wieder ohne „Schatten“ arbeiten zu können. Ohne Fragebogen und ohne Qualifikation. Nicht, dass ich Mühe hätte mit diesen regelmässigen Prüfungen. Sie werden im Laufe eines Pilotenlebens früher oder später zur Gewohnheit. Doch sie verleiten kaum zu Jubelgesängen.
Mit einer Ausnahme: Im Gegensatz zu den oben erwähnten regelmässigen Checks kennt die Pilotengilde (wie auch andere Berufsgattungen) eine weitere „Check“-Kategorie, die sich einer kontinuierlichen Beliebtheit erfreut; den „Pay-Check“! Den gibt es ohne komplizierte Vorbereitung, und erst noch im angenehmen Monatsrhythmus. Und bereits in wenigen Tagen ist die nächste Ausgabe fällig. Wenn das kein Grund zum Feiern ist... Halleluja!

Wednesday, July 18, 2007

Sisha-Nebel

Zwei freie Tage. Viel Zeit. Viel Ruhe. Ein leeres Haus.
Allerdings sind inzwischen sämtliche Zimmer eingerichtet und möbliert. Vor einem Jahr standen die Räume quasi leer. Dennoch zieht es mich an freien Tagen regelmässig in die Stadt. In eine der grosszügigen Malls, in ein Restaurant oder ins Kino.
Nicht dass ich mich darüber freuen würde, die Sommermonate ohne Familie im Emirat zu verbringen. Es ist aber mitnichten so, dass ich einsam und verbittert vor mich hin darbe. Ich geniesse die mir zur Verfügung stehende Zeit. Die Ruhe gibt mir Gelegenheit, angestaute Pendenzen zu erledigen oder ganz einfach, meinen Gedanken nachzuhängen.

Mystische Rauchschwaden
Zum Beispiel im Sisha-Café. Der Name „Hardfalls“ lässt zwar keine unmittelbaren Assoziationen mit „Tausendundeiner-Nacht“ aufkommen. Doch ich erinnere mich, dass vor längerer Zeit ein arabischer Copi den Namen erwähnt hat. Man würde hier, so hat er mir auf einem Flug vorgeschwärmt, die beste Shisha in der ganzen Stadt rauchen. Ich will es wissen. Obwohl ich dies kaum zu beurteilen in der Lage bin. Zu spärlich, zu stümperhaft sind meine Kenntnisse.
Es ist Abend, kurz nach neun Uhr. Nur mit Mühe und der Hilfe eines umtriebigen Kellners finde ich an einem freien Tisch Platz. Zweifellos ein gutes Indiz. Das Lokal liegt in der Marina Mall und ist gut besetzt. Es herrscht im wahrsten Sinne des Wortes „dicke Luft“. Kaum hat man den Fuss ins Innere des Cafés gesetzt, trüben schwere Shishawolken den Blick und verhüllen die Anwesenden in mystisch anmutenden Rauchschwaden: Menschen jeden Alters und beiderlei Geschlechts, die an langen Holzstielen saugen. Ich rutsche meinen Stuhl zurecht, die Platzverhältnisse sind nicht üppig, die Betreiber nutzen die zur Verfügung stehende Fläche bis auf den letzten Millimeter.

Indische Wurzeln
Der Kellner stellt eine Flasche Wasser auf den Tisch, dessen rotes Tischtuch mit einer sauber gereinigten Glasplatte beschwert ist. Ich bestelle einen Espresso „single shot“, dazu eine Shisha mit Apfeltabak. Bislang immer noch mein favorisiertes Aroma. Shisha-Rauchen ist erwiesenermassen ungesund. Nicht so Früchte – und der Apfelgeschmack in meinem Gaumen lässt das Paffen weniger schadhaft erscheinen. Schiere Illusion. Wie wir uns doch selbst betrügen, denke ich und lasse meinen Blick durch den verqualmten Raum schweifen, dessen Luft gesättigt ist von schweren orientalischen Düften. Der Geschmack typisch arabischer Parfums vermischt sich mit den vielfältigen Aromen der Wasserpfeifen. Es sitzen auffällig viele Frauen an den Tischen und geben sich ebenso ungeniert dem Rauchgenuss hin wie die Patriarchen des Morgenlandes. Das Prinzip der Shisha, so berichtet die Überlieferung, hat seinen Ursprung in Indien. Dort soll die erste Wasserpfeife aus einem in eine Kokosnuss gesteckten Bambusstock bestanden haben. Der Name ist urtümlich persisch „shishe“ (Glas) und gelangte ins Türkische „şişe“ sowie ins Arabische, wo er in den nordafrikanischen Dialekten den Glaskörper der Wasserpfeife aber auch die Pfeife insgesamt bezeichnet. Das gemeinsame Rauchen wird bis heute als Symbol der Gastfreundschaft angesehen.

Zaghaftes Paffen
In schwarz gekleidete Kellner sind für die Verteilung der Shishas zuständig. Sie sind ebenso dafür besorgt, dass den Wasserpfeifen nie die Kohle ausgeht. Auf wundersame Art sind sie in der Lage, bis zu drei dieser wenig handlichen Rauchobjekte aufs Mal zu tragen. Sie erinnern mich, so absurd der Vergleich anmutet, an die stämmigen Oktoberfest-Kellnerinnen mit ihren Bierkrügen. Ich muss schmunzeln: Was den Bavaren ihre „Mass“, ist den Arabern wohl ihre „Shisha“. Doch dieser Vergleich scheint hier niemanden zu interessieren. Bayern liegt zu weit entfernt.
Der Kellner bringt mir meine Shisha an den Tisch. Ich entferne die Plastikhülle, die über das Mundstück gestülpt ist und nehme einen ersten, zaghaften Zug. Zaghaft deshalb, weil ich schon des öfteren beim ersten Ansatz Husten musste. Ein diletantischer Lapsus, den ich hier nach Möglichkeit vermeiden will.

Belebte Gespräche
Das Lokal ist vorwiegend mit Arabern, vermutlich verschiedenster Herkunft besetzt. Die einen, im traditionellen Gewand, allerdings mit unterschiedlicher Kopfbedeckung; vom weissen (Gatra) Kopftuch über das rote (Shmagk) bis hin zum – vor allem bei den jüngeren Männern – viel verbreiteten „Baseball-Cap“ findet sich alles. Die Frauen verstecken ihre Reize unter schwarzen Abayas. Es sind jedoch auch viele westlich gekleidete BesucherInnen auszumachen. An den Tischen links und rechts von mir sitzen je zwei Araber im Dishdash und unterhalten sich angeregt. Nicht nur mit Worten, ihre Hände unterstreichen das Gesagte mit wilden Gesten. Dazu trinken sie Arabischen Kaffee, der in geschwungenen silbernen Krügen serviert wird.
Rundherum wird heftig diskutiert und gelacht. Der Geräuschpegel zwingt, lauter als gewohnt zu sprechen. Ich konzentriere mich auf das Gespräch meiner Tischnachbarn, kann jedoch kaum ein Wort erhaschen. Einmal mehr fällt mir der bisweilen aggressive Charakter dieser Sprache auf. Gutturale Laute unterstreichen den harten Wort- und Satzrhythmus und hämmern in wildem Stakkato an mein Ohr. Wer nicht diskutiert, betreibt mit seinem Handy kommunikative Selbstbefriedigung. Ohne Mobiltelefon läuft hier nichts. Überhaupt nichts! Die kleinen silbernen und schwarzen Dinger liegen stets in Griffnähe auf dem Tisch und werden mit wachsamem bis liebevollem Blick unablässig kontrolliert. Viele Araber haben ständig den kleinen Kopfhörer im Ohr, nicht nur im Café. Erhöhte Bereitschaft für spontane Gespräche. Man weiss ja nie. Dabei könnte man sich hier so herrlich mit Rauchzeichen verständigen.

Angeregte Sinne
Ich paffe entspannt an meiner Shisha und verfolge die aufsteigende Rauchwolke, in der meine Gedanken entschweben und sich im Nichts aufzulösen scheinen. Solche Momente inspirieren mich ungemein. Der Genuss des Kaffees regt meine Sinne an, der Tabak wirkt irgendwie entspannend, wenn nicht gar berauschend. Ich fokussiere einen rauchenden Araber und versuche, die Kadenz seiner Züge mitzugehen. Nur so zum Spass. Und weil ich wissen will, wie der Fachmann raucht.
Mein Handy blinzelt mir durch abziehende Rauchschwaden zu. Für arabische Verhältnisse liegt es bereits zu lange unangetastet auf dem Tisch. Leicht lasse ich mich verleiten und schicke den beiden Töchtern ein SMS, frage, wo sie gerade stecken. Dazwischen ein tiefer Zug. Die ältere antwortet schnell, berichtet, dass sie soeben mit der Schweizerischen Bundesbahn in Lausanne eingetroffen sei, wo sie mit einer Freundin eine Woche Ferien geniessen will. Nina lässt sich Zeit. Eigentlich antwortet sie gar nicht. Erst drei Stunden später, als ich schon lange wieder zuhause bin. Dafür gleich in dreifacher Ausführung. Berichtet von Badefreuden im Thunersee. Meine Antwort lässt nicht lange auf sich warten, der Blick aufs Handy ist wieder ungetrübt, denn mittlerweile hat sich der Qualm endgültig verzogen.

Sunday, July 15, 2007

Exzess - für einmal ohne Happy End

Kürzlich, als ich mich wieder einmal von den „gedanken eines fliegenden“ (http://splitduty.blogspot.com/) inspirieren lasse, muss ich gewaltig Schmunzeln. Der liebe Kollege schildert nämlich aufs Treffendste, wie Besatzungen im Ausgang, beim Aufteilen der Rechnung nach gemeinsamem Mahl, regelmässig ins Grübeln und Zweifeln, Copiloten gar ins VERzweifeln geraten. Denn ihnen, den Copiloten eben, obliegt aufgrund einer langen aviatischen Tradition die noble Aufgabe, den Gesamtbetrag „gerecht“ zu dividieren. Dabei gilt es nicht nur die individuelle Konsumation, sondern vielmehr auch die hierarchisch-soziale Stellung jedes einzelnen Besatzungsmitglieds entsprechend zu berücksichtigen. Eine Aufgabe, die ein überdurchschnittliches Mass an psychologischem Geschick und Einfühlungsvermögen voraussetzt, und die letztlich der meines Wissens bislang unerreichten „Quadratur des Zirkels“ gleichkommt.

Bei Etihad gestaltet sich die ganze Angelegenheit oft einfacher, denn grundsätzlich erweisen sich die Mitglieder der Cabin Crew in Sachen gemeinsames Essen als eher zurückhaltend. Das hat diverse Gründe: Einerseits wird ein Teil des Salärs nach Hause geschickt, um die Familie zu unterstützen, in anderen Fällen mag die „Nicht-Präsenz“ der Kolleginnen in der abnehmenden Attraktivität des alternden Kapitäns begründet liegen. Die asiatischen Mädchen haben ausserdem ihren Koffer stets gut bestückt mit Fertigpackungen von Nudelsuppen, so dass sie problemlos in der Lage sind, völlig autark mehrere Tage in ihrem Hotelzimmer zu überleben.
















Unsere Route von Abu Dhabi nach New York

Englisch statt Mundart
Dieser Flug nach New York bietet bezüglich Ausgang keine Ausnahme. Ausser Urs Burkhard, dem anderen Kapitän, der zufälligerweise ebenfalls Schweizer ist, findet sich nur noch Nina zum vereinbarten Zeitpunkt in der Lobby ein. Die beiden Copiloten haben sich nach Manhattan abgesetzt. Mit ihnen ist kaum zu rechnen. Möglicherweise haben sie eben ganz einfach keine Lust, die Rechnung auszudividieren. Nina ihrerseits ist Russin und spricht – wen wundert’s – kein Schweizerdeutsch.
So unterhalten wir uns denn in schweizerisch und russisch gefärbtem Englisch. Und ganz nebenbei lerne ich, wie man den Namen "Scharapowa" richtig ausspricht: "Scharápowa" nämlich. Liebe Tennisfreunde, liebe Günthards und Bührers, lasst euch ein für alle Mal sagen, dass die Betonung nicht auf der dritten Silbe, sondern auf der zweiten liegt. Diese Erkenntnis verhilft zwar nicht zu erfolgreicherem Tennisspiel, doch zumindest rückt sie uns auf den "Nebenplätzen" in ein besseres Licht.
Die Übung mit der Rechnung ersparen wir uns am Schluss der Tafel und übernehmen – in Ermangelung eines dividierfreudigen Copiloten – auch Ninas „Clam Chouder“. Spaziba! Und "Davai, davai Scharápova!"

Aufregung bei der Abfahrt
Am anderen Morgen, die Besatzung ist vermeintlich vollständig um 0830 Uhr in der Lobby zum Pick up versammelt, meldet mir der Cabin Manager, dass ein Cabin Crew Member fehlt. Im gleichen Atemzug informiert er mich, dass der junge Kollege gestern nach der Ankunft nach Denver zu seinen Verwandten geflogen wäre. Dies mit der Absicht, heute früh um 0600 Uhr Lokalzeit wieder in New York zu landen. Da bimmeln bei mir natürlich gleich mehrere Glocken; offensichtlich haben hier gewisse Herren gar stramm entschieden, dafür eher zurückhaltend kommuniziert. Doch für lange Reden bleibt keine Zeit. Eine Abklärung bei der Reception ergibt, dass der Steward noch nicht zurück ist, die Uniform und einen Teil seines Gepäcks jedoch im Zimmer hat. Im Grunde genommen alles sein Problem, denke ich, und ohne lange zu zögern, setzen wir uns in die Busse und fahren los. Nicht ohne die Hotelangestellten gebeten zu haben, uns bei seinem allfälligen Eintreffen zu informieren.
Der junge Mann hat – vorerst – Glück. Eine halbe Stunde vor Abflug trifft er auf dem Flugzeug ein. Ich bitte ihn, sich während des Fluges für ein klärendes Gespräch bei mir zu melden. Dasselbige findet einige Stunden später, während des Reiseflugs statt. Ich lasse mir seinen Standpunkt erklären und erläutere ihm anschliessend, mit Bezug auf gewisse OM A Paragraphen (Regelhandbuch), meine Betrachtungsweise, die sich erwartungsgemäss nicht vollständig mit der seinen deckt! Details erübrigen sich hier, denn er zeigt sich einsichtig und ringt sich zu einer Entschuldigung durch. Damit ist der Fall für mich vorerst erledigt, denn noch ahne ich nicht, dass alles noch viel schlimmer kommen sollte.

Andere Länder, andere Vorschriften
Doch zuerst einmal düsen wir weiter gemütlich über den Nordatlantik. Irgendwann, bei der Rekapitulation des gestrigen Abends, stossen wir auf das Thema Alkohol. Und ich kann und will es an dieser Stelle nicht unterlassen, exklusiv für die Schweizer Kollegen kurz zu dokumentieren, wie andere Airlines die Trinkgelüste ihrer Piloten im Zaum zu halten versuchen. Während bei SWISS die Regel gilt, dass acht Stunden vor Arbeitsbeginn (Check in) kein Alkohol mehr konsumiert werden darf, verlangt Etihad bereits zwölf Stunden vor „Reporting time“ ein Trinkverbot. Noch viel übler präsentiert sich die Angelegenheit allerdings für südamerikanische Flugzeugführer. Zufälligerweise bin ich mit einem chilenischen Copi unterwegs, und wie wir auf das Thema zu sprechen kommen, startet Gerardo sogleich seinen Laptop. Dann hält er mir einen Auszug aus dem OM A seines ehemaligen Arbeitgebers unter die Nase. Da steht wortwörtlich geschrieben:

„No se consumirá alcohol durante las 24 horas precedentes al vuelo ni durante es desarrollo del mismo.“
“…pero tengase presente que la recuperation completa, después de haber ingerido alcohol en exceso, no es inferior a tres días.”

Diese Vorgesetzten gehen weit, überlegen sich etwas und decken gar den Fall einer Alkoholvergiftung (exzessiver Konsum) ab. Man stelle sich den Kommandanten vor, der beim Crew Control anruft und sich infolge „Besoffenheit“ drei Tage fluguntauglich meldet. Wir müssen laut lachen bei diesem Gedanken, doch wenig später verkommt das Gelächter zum müden Röcheln, denn der liebe Murphy hat scheinbar ein Auge auf uns geworfen.

Alkoholkontrolle
Etwa eine Stunde vor der Landung in Abu Dhabi - unsere Augen, vom Licht der aufgehenden Sonne geblendet, beginnen sich immer mehr zu röten - erreicht uns folgende Meldung per ACARS (Textmeldung): „Good morning gents, request from medical center for entire crew to come to airport clinic for alcohol testing on arrival“
Na toll! Genau so etwas wünscht sich unsereins nach knapp 13 Stunden Flug. Alkoholkontrollen werden bei Etihad regelmässig durchgeführt, ich bin bis anhin jedoch stets verschont geblieben. Und heute habe ich gar nicht damit gerechnet.
So machen wir uns nach der Landung gemeinsam auf den Weg zur Passkontrolle und anschliessend zum Gepäckband, wo wir unsere Koffer in Empfang nehmen. Dann führt uns der Weg am Zoll vorbei... aber Halt! Wieso stehen denn heute morgen so viele Beamten vor dem Ausgang? Die Antwort lässt kaum auf sich warten, denn die gesamte Besatzung wird in einen Nebenraum geführt und angewiesen, sämtliche Gepäckstücke zu öffnen. Dann folgt eine Inspektion, wie ich sie in 26 Jahren Fliegerei noch nie erlebt habe: Jeweils ein Beamte pro Crew Member durchsucht minutiös jedes einzelne Wäschestück (sauber oder ungewaschen), öffnet sämtliche Reissverschlüsse, Kosmetika und Shampooflaschen. Wühlt in Einkaufssäcken, leert Necessaires und blättert in Büchern und Zeitschriften. Neugierige Nasen riechen an Teebeuteln, Ovopackungen - und allfällig noch vorhandenen Fertig-Nudelsuppen. Das Bild der vielen verbissen suchenden Zollbeamten erinnert mich an den Dreikönigstag und die jeweils angestrengt nach der im Kuchenteig versteckten Königsfigur suchenden Kinder. Jedes Besatzungsmitglied muss diese rund viertelstündige individuelle Prozedur über sich ergehen lassen. Urs und ich staunen anfänglich, dann werden wir misstrauisch. Ich nehme mein Handy und rufe „OCC“ (Operations Control Center) an. Doch eine befriedigende Auskunft erhalte ich nicht. Plötzlich sehe ich in der allgemeinen Verwirrung, dass auch drei Vorgesetzte von Etihad anwesend sind. Jetzt begrüssen sie Urs und mich und erklären uns schliesslich, dass aufgrund vorliegender Informationen konkret nach verbotenen Substanzen gesucht würde. Aha – deshalb auch die Aufforderung zum Alkoholtest! Die Unruhe in der Besatzung wächst spürbar von Minute zu Minute.

Böse Überraschung
Wenig später wird der Verdacht dann zur Gewissheit. Wer zu kombinieren vermag, wird es wohl geahnt haben: Unser beim Pick up vermisster Kollege verfügt offenbar nicht über eine blütenweisse Weste. In seinem Gepäck wird eine geringe Menge „Gras“ gefunden. Die Falle schnappt unerbittlich zu. Die Verdachtsmomente waren offensichtlich begründet, wobei mir noch immer nicht klar ist, über welche Kanäle die Informationen nach Abu Dhabi gelangt sind. Auf jeden Fall, so gestehen mir am Schluss die Sicherheitsverantwortlichen der Airline, hätten sie auch gewusst, dass der Steward über Nacht nicht im Hotel geschlafen hat! Da hat wohl nicht nur der Murphy ein waches Auge auf uns geworfen...
Nach kurzen heftigen Diskussionen wird der Überführte schliesslich vor unseren Augen aus dem Raum gebracht. Die Alkoholkontrolle wird uns erlassen, die Beamten haben gefunden, was sie suchten.
Urs und ich bleiben, bis auch das letzte Besatzungsmitglied fertig kontrolliert worden ist. Ich will wissen, was nun mit dem Strafbaren passiert, worauf ich von einem Offizier schulterzuckend zur Antwort erhalte, dass der Täter für vier Jahre ins Gefängnis wandere und bereits morgen seine Strafe antreten müsse. Das Gesetz spricht in diesem Fall eine unmissverständliche Sprache und macht keine Ausnahme. Ich bin überrascht, erschrocken und schockiert. Mir tut der junge Mann irgendwie leid, obwohl ich weiss, dass sein Verhalten dumm und naiv war.
Doch nach der Verhältnismässigkeit fragt hier niemand.

Thursday, July 12, 2007

Müllerst Lust – Expats Frust

Das Wandern, so sagt der Voldsmund, ist des Müllers Lust. Und der Sommer (wie übrigens auch die Weihnachtszeit), so wage ich zu behaupten, des Expats Frust.

Zumindest was die Abu Dhabi-Kommune anbelangt. Denn die Sommermonate Juni bis August gehören in der Tat zu den aktivsten Phasen der Expats hier, insbesondere der Familienangehörigen. Nicht aber, wie man jetzt vielleicht vermuten könnte, was die Bruttätigkeit betrifft. Genau diese leidet nämlich, da in erster Linie die Reisetätigkeit rapide zunimmt. Dies wiederum führt oftmals zu längeren Phasen der Trennung. Es sei denn, der vereinsamte Zurückgebliebene lasse sich dazu verleiten, die nervenaufreibende Geduldsprüfung beim Staffschalter in Angriff zu nehmen und ein Ticket für einen Spontan-Besuch in der Heimat zu erstehen. Wohl wissend, dass er einen solchen in der Regel bitter bezahlt mit Schlafstörungen infolge übermässiger Reisetätigkeit, gekoppelt mit erhöhter Nachtaktivität.
So gebärden kann sich der einsame Familienvater natürlich nur dann, wenn ihm ein genügend grosser Freitageblock zur Verfügung steht. Mindestens drei Tage sollten’s schon sein, ideal wären vier und bei akutem Testosteron-Überschuss versucht man’s auch mal bei nur zwei.

Insider sprechen übrigens auch von der sogenannten „WANKER-Periode“. Was nichts anderes heisst als „Wife Away No Kids Eating Rubbish”! Speziell letzteres bringt dummerweise den Nachteil, dass auch die Körpermasse, insbesondere der BMI in Mitleidenschaft gezogen werden, was wiederum das individuelle Frusttotal über Gebühr belastet und den Gang zum Staffschalter begünstigt.

Freizügige Crew Controller
Auch ich habe mich vor wenigen Tagen zu einem Kurztrip in die Schweiz entschieden. Es war keine Verzweiflungstat, sondern vielmehr die Frucht eines taktisch raffiniert ausgehandelten zusätzlichen Freitages, indem ich die Crew Control-Oberinstanz kühn darum bat, man möge mir doch einen (für mich) ungünstig gelegenen „Stby-Tag“ erlassen. Ich lockte die Dame am Schalter mit der Aussicht auf extra für sie importierte Schokolade aus frischer Alpenmilch und erhielt meine Anfrage mit überraschender Freizügigkeit gewährt.
Der Familie sagte ich vorerst nichts, denn noch schien mir die Sache nicht ganz geheuer. Ich flog zuerst einmal nach New York und kontrollierte, kaum im Hotelzimmer angekommen, einmal mehr meinen laufenden Einsatzplan im Internet. Alles ok – keine Änderung. Langsam begann ich daran zu glauben und zog in Betracht, der ahnungslosen Gattin ein SMS zu schicken. Doch ich konnte mich beherrschen und wartete weiter zu, derweil ich mich mit einigen Besatzungsmitgliedern zum Abendessen ins nahe gelegenen Steakhouse aufmachte.

Keine Änderung in Sicht...
Am nächsten Morgen holte uns der Crewbus um 0830 Uhr Lokalzeit (1630 Uhr Abu Dhabi Zeit / 1430 Uhr Schweizer Zeit) beim Hotel ab. Ich informierte endlich Franziska per SMS über meine Absicht, und sie war ob der Nachricht dermassen verwirrt, dass sie zweifelnd zurückschrieb, ob ich ihr wohl aus Versehen ein „altes SMS“ geschickt hätte...
Der Rückflug verlief ohne Probleme und nach 11 Stunden und 50 Minuten landeten wir am Morgen kurz vor acht Uhr in Abu Dhabi. Ich fuhr nach Hause, kontrollierte meinen Einsatz (keine Änderung), leerte den Koffer, packte ihn neu, kontrollierte meinen Einsatz (keine Änderung), goss die Pflanzen, spülte das Geschirr, kontrollierte meinen Einsatz (keine Änderung), duschte, kleidete mich an, organisierte mit Toni, der zufälligerweise den Flug nach Genf pilotierte, die gemeinsame Fahrt zum Flughafen, und kontrollierte schliesslich nochmals – mittlerweile war’s Routine – meinen Einsatz. Immer noch keine Änderung. Ich war erleichtert.

Die grosse Odyssee
Damit setzte sich die unendliche Reise fort. Seit ich den Crewbus in New York bestiegen hatte, waren rund 18 Stunden vergangen, in denen ich kaum länger als eine Stunde am Stück geschlafen hatte. Dummerweise war der Flug nach Genf gut ausgelastet und mir blieb trotz Tonis verzweifelter „Upgrade-Bemühungen“ lediglich ein enger Sitz in der hintersten Reihe der „Coral-Zone“ (Economyclass). Die bedrückenden Platzverhältnisse verunmöglichten eine Sitzposition mit Chancen für einen schlafähnlichen Zustand. So wachte ich tapfer weiter und unterhielt mich mit meiner Sitznachbarin Sarina, einer indischen Cabin Managerin, die ihren „Boyfriend“ in der Calvinstadt besuchen wollte.
Die Landung in Genf erfolgt pünktlich, so dass ich bereits eine halbe Stunde später im Zug nach Bern sass. Diesmal in der ersten Klasse, mit Beinfreiheit bis zum geht nicht mehr. Ich fühlte mich langsam wie ein Zombie und hätte viel für eine bequeme Liegestatt gegeben. Indes ratterte die Eisenbahn flott über’s Schweizerische Schienennetz und überquerte den „Röschtigraben“ derart fein, dass ich ihn kaum spürte. Das Umsteigen in Bern geschah beinahe mechanisch und an die Fahrt nach Thun kann ich mich kaum noch erinnern. Franziska, Linda und zwei ihrer zahlreichen Cousinen – ich glaube es waren Larissa und Melina? – erwarteten mich freudig auf dem Perron. Alsdann fuhren wir durch die dunkle Nacht, die Uhren zeigten 2230 Uhr als wir im hintersten Winkel des Diemtigtals eintrafen, wo ich den Rest der Sippe begrüsste. Inzwischen war ich über 30 Stunden ohne vernünftigen Schlaf. Wen wundert’s, dass da Erinnerungen an alte Militärdienstzeiten aufkamen...?

Mussestunden im Dauerregen
Vor mir lagen vier erholsame Tage. Tim hatte ich seit drei Wochen nicht mehr gesehen. Er hatte in der Zwischenzeit in Bern auf dem Bau gearbeitet und seine Ferienkasse aufgepeppt. Ich genoss die Tatsache, dass für kurze Zeit die ganze Familie im heimeligen, angenehm kühlen Diemtigtal vereint war. Wir übten uns im Müssiggang, spielten „Bunko“ und streiften durch die Altstadt von Thun. Der Regen war unser ständiger Begleiter. Doch er kümmerte uns wenig.
Am dritten Tag, es war Dienstag, packten wir unsere Koffer und Reisetaschen und fuhren Richtung Stadel. Bei den Kindern stieg die Spannung merklich. Der so heiss ersehnte Moment des Wiedersehens mit ihren ehemaligen Schulfreunden rückte näher. Lange hatten sie darauf gewartet, die Vorfreude war riesig. Alle drei hatten im Sinn, ihre Klassen und vereinzelte Unterrichtsstunden zu besuchen. Die Mädchen hatten Powerpoint-Präsentationen vorbereitet, um von ihrem ersten Jahr in Abu Dhabi zu berichten.
Als wir schliesslich in Stadel einfuhren, ging es Schlag auf Schlag:
Zuerst Ablad von Tim bei einem Schulfreund, dann brachte ich Nina zu ihren Freundinnen Leana und Delia, wo Franziska gleich mit ausstieg und zum Abendessen blieb. Derweil der rastlose Vater nach Kloten raste, wo Linda das Training ihrer früheren Unihocky-Mannschaft besuchen wollte. Die Wartezeit überbrückte ich bei einem Bier mit meinem Bruder in der Hilton Bar. Anschliessend Rückfahrt mit Linda zu einer Freunding in Stadel. Aber noch war meine Mission nicht erfüllt, ich musste weiter, Franziska wartete. Vor der Weiterfahrt noch kurz Kaffee und Fruchtsalat, dann verabschiedeten wir uns von Nina und fuhren ins nahe gelegene Bülach. Die Familie hatte sich nach zwei gemeinsamen Tagen wieder in Einzel-Elemente aufgelöst. Tim würde in den nächsten Tagen mit seinem Schulfreund für zwei Wochen nach Norddeutschland fliegen, Linda hatte die Absicht, mit ihrer Freundin nach Lausanne zu fahren. Einmal mehr trennten sich unsere Wege. Den Eltern blieb ein anregender Abend bei Michelle in Bülach. Ein Abend, der sich bei Schampus bis in die frühen Morgenstunden hinzog.

Rückreise
Die fünf Stunden Schlaf taten gut, mehr hätten allerdings noch besser getan. Doch Franziskas „Handy-Alarm“ mahnte uns unüberhörbar an geplante Besuche. Mit frischen Gipfeli tauchten wir vor der grossen Zehnuhrpause im Lehrerzimmer des Primarschulhauses Stadel auf. Franziska freute sich auf die Begegnung mit ehemaligen Kollegen und Kolleginnen aus ihrer Zeit als Schulpflegerin. Auch wenn die Zeit für solche Gespräche grundsätzlich immer zu knapp scheint, so sind diese Begegnungen stets etwas Besonderes, etwas Spannendes. Unzählige Dinge gibt es zu bereden, zu berichten, zu bereinigen oder auch zu bekennen. Doch die Pause war bald vorbei und die LehrerInnen zog es in ihre Schulzimmer.
Unser nächstes Ziel war des Pfarrers Haus hoch auf dem Stadlerberg. Für einmal war der Weitblick ins Zürcher Unterland im wahrsten Sinne des Wortes vernebelt und getrübt. Die gereichte „Wähe“ mundete deswegen nicht schlechter, doch auch hier blieb kaum ausreichend Zeit für die Bewältigung der zahlreichen Gesprächsthemen. So wirbelten denn zahlreiche Gedanken in unseren Köpfen als wir bereits wieder Richtung Bülach unterwegs waren.
Und bereits wenige Stunden später machte ich mich auf den Weg zum Flughafen Zürich, wo ich am Nachmittag – es regnete immer noch (oder schon wieder?) eine SWISS-Maschine nach Frankfurt bestieg. Dort war warten angesagt, der Anschlussflug nach Abu Dhabi startete erst kurz nach 23 Uhr.
Das gab mir Zeit zum Nachdenken. Zu meinem grossen Erstaunen, verfügt Etihad seit kurzer Zeit über eine brandneue „Diamond- und Pearl-Lounge“ mit allem, was des Reisenden Herz begehrt; Business-Center, Duschmöglichkeit, „Prayer Room“, Lesematerial, TV sowie diversen Snacks und Drinks. Natürlich alles „free of charge“.
















Etihad-Lounge in Frankfurt


Besinnung
In diesem Umfeld versuchte ich, meine etwas durcheinander geratenen Sinne zu ordnen. Wie so oft half mir dabei das Niederschreiben meiner Eindrücke. Vieles hatte ich in diesen vier Tagen erlebt. Dabei schienen sich die Dinge immer wieder zu überstürzen, dass mir manchmal kaum Zeit zur Verarbeitung blieb.
Unser Familienleben hat sich unglaublich verändert. Einmal mehr wurde mir dies bewusst. Die vielen Trennungen kontrastieren stark mit einem neu entstandenen Zusammengehörigkeitsgefühl, das sämtlichen Distanzen trotzt. Dies hängt nicht nur mit den neuen Lebensumständen zusammen, sondern auch mit der Entwicklung der Kinder. Einer Entwicklung, so zumindest habe ich den Eindruck, die sich mit dem Umzug in die Emirate rapide beschleunigt hat. Dies zu realisieren, bereitet mir manchmal Mühe. Die Freude über die Selbstständigkeit des Nachwuchses vermischt sich mit den zwiespältigen Gefühlen, die mich beim Gedanken an ihren dereinstigen Auszug überkommen. Auch wenn ich glaube, dass unser momentaner Lebensstil mir dabei helfen wird.
Aber vorerst wird weiter geflogen. Morgen früh werde ich wieder in Abu Dhabi sein. Ich werde nach Hause fahren, den Koffer leeren, neu packen, etwas schlafen, duschen, die Unform anziehen und um Mitternacht wieder einchecken. Für den nächsten Flug – einmal mehr nach New York.

Tuesday, July 03, 2007

Lastflight

Das Leben ist voller Zufälle. Die Fliegerei auch.

Bei Etihad überschlagen sich derzeit die aus Personalknappheit resultierenden Einsatzumstellungen. Beinahe jeden zweiten Tag rufen mich die Kollegen vom Crew Control an und teilen mir „Schedule Changes“ mit. Manchmal fragen sie auch zuerst, ob ich einverstanden sei. Meistens dann, wenn irgendwelche Limiten angekratzt werden. Nun kommt erschwerend hinzu, dass sie nicht immer merken, wenn Limiten angekratzt werden. Das kann daran liegen, dass diverse Limiten des öfteren neu definiert werden. Oder aber an der Tatsache, dass mann oder frau ganz einfach nicht weiss, welche Limiten wann wo und wie einzuhalten sind.

Die bevorstehenden Sommermonate werden diesbezüglich mit Sicherheit keine Entspannung bringen. Bereits in den vergangenen Tagen bekamen Besatzungsmitglieder einen ersten Vorgeschmack dessen, was sie alsbald erwarten wird.
Auch mein Einsatz erfuhr allein in der letzten Juni-Woche vier Änderungen. Ich will euch damit nicht bis in alle Details langweilen. Die ultimative Version schickte mich schliesslich am letzten Tag des Monats auf einen Kairo-Turnaround. Doch bereits der geplante Start um halb zehn am Morgen musste verschoben werden. Ich wollte gerade unter die Dusche steigen, als mein immer noch auf lautlos gestelltes Handy, neben dem Spültrog liegend, blinkte. Es ist nämlich so, dass die Crew Control-VertreterInnen ihre Klienten ausschliesslich via Handy (hier „Mobile“ genannt) attackieren. Und die Erfahrung lehrt, dass man gut daran tut, sein „Telefonino“ (Brunetti lässt grüssen) vor einem Arbeitseinsatz in Reichweite zu haben. „Your flight is delayed“, säuselt’s denn auch prompt aus der Muschel. Um zwei Stunden und 20 Minuten. Wenn ich das gestern gewüsst hätte; Die Merlot-Flasche hätte den Vorabend bestimmt nicht überlebt.

Unruhiges Jahr
Mein Copi heute ist Haakan Abrahamson. Der Schwede, vormals über viele Jahre in Diensten der SWISS(air) tätig, gehört zu jener Gruppe von SWISS-Piloten, die vor etwas mehr als einem Jahr ausgezogen sind, den Mittleren Osten zu erkunden. So wie wir. Mit Sack und Pack. Und mit vielen Hoffnungen, die sich leider nicht bei allen wie erwartet erfüllt haben. Das betrifft vor allem die Gruppe der damaligen Copis, die bei Etihad als Kapitäne hätten fliegen sollen. Vielfältige Gründe haben letztlich diesen zugegebenermassen ambitiösen Plan scheitern lassen und dazu geführt, dass fünf von ihnen wieder zur SWISS zurückkehren. Einige haben ihre Beduinenzelte in Abu Dhabi bereits abgebrochen. Haakan steht kurz davor. Seine Familie lebt bereits wieder in der Schweiz. Er teilt mir gleich zu Beginn mit, dass dies sein Etihad-Letztflug wäre. Ausgerechnet mit mir, der ich ebenfalls von der SWISS kommend beinahe zeitgleich mit ihm hier begonnen habe. Zufall oder ein Schicksalstritt ans Schienbein?
Während des Fluges nach Kairo erzählt mir Haakan, wie schwierig es gewesen sei, sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Seiner Frau hat das Leben in Abu Dhabi sehr gut gefallen. Ihm eigentlich auch. Bei den drei Kindern war es nicht immer so. Wie ringt sich eine Familie vor diesem ungleichen Hintergrund zu einer tragfähigen Entscheidung durch? Im Grunde genommen kam diese gesamte Copi-Gruppe im Verlauf dieses einen Jahres nie so richtig zur Ruhe. Zu unklar, zu schwankend waren die Vorgaben nach den Anfangsschwierigkeiten im letzten Frühling.

Im SWISS-Cockpit
Solches diskutieren wir im Cockpit auf dem Weg nach Kairo, wo wir – ebenfalls eine süffisante Fügung des Schicksals – unsere Kollegen der SWISS treffen werden. Der A340 aus Zürich landet, unsere Verspätung sei dank, sozusagen zeitgleich mit uns. Wir hören, wie sie nach der Landung Rollinstruktionen erfragen.
Nachdem der letzte Passagier ausgestiegen ist, mache ich mich auf den Weg über den Tarmac und spähe in die Türe der SWISS-Maschine. Den M/C kenne ich, ebenso ein Flight Attendant. Auch der nächsten Dame, die mir im Galley begegnet, meine ich schon begegnet zu sein. Im Cockpit überrasche ich Kaspar Flückiger und Tom Vokinger. Der Schweizer Steuerstand wirkt nach wie vor sehr vertraut. Auch wenn der Unterschied nicht gross ist, so scheint er doch spürbar. Tom serviert mir einen Espresso im Kartonbecher. Dann drückt mir jemand eine üppige Menge „Schöggeli“ in die Hand. Und Pralinen. Und einen „Tagi“. Fast wie zuhause. Doch die Zeit drängt schon wieder, es bleibt (zu) wenig Zeit zum Schwatz. Schon hetze ich zurück zu unserem A330, wo die ersten Passagiere bereits am Einsteigen sind.

Schicksalshafte Konstellationen
Mir wird bewusst, dass sich hier und heute nicht nur zwei Wege gekreuzt haben. Es waren mehrere.
Die einen kommen, die anderen gehen. Im "irdischen" Leben wie auch in der Luft. Oder auf dem Wasser. Dazwischen begegnet man sich unverhofft irgendwo. Haakan schnuppert auf seinem nicht geplanten „Lastflight“ mehr Schweizer Luft als bei anderen Einsätzen. Und wer glaubt, alles sei berechenbar, täuscht sich: Spätestens dann, wenn Alinghi nach einem hoch dramatischen Finish mit läppischen und nach einem solchen Rennen taktisch nicht kalkulierbaren zwei Sekunden Vorsprung (nach einer unfreiwilligen Pirouette der Kiwis) über die Ziellinie segelt, gerät die Zuschauerschaar ins Sinnieren.
Uns kann’s nur freuen, denn jetzt hat die Schweiz bereits zwei wahre Champions, deren Erfolge sich in Traditionswettbewerben wiederholt bestätigt haben: Den Roger und den Ernesto. Und dann haben wir ja noch den „Nespresso“. Aber der gehört in eine andere Kategorie...