Tuesday, July 11, 2006

Familienpause

posted by Dide
Einige Tage in der Schweiz zu verbringen ist von unschätzbarem Wert. Baden mit der jüngsten Tochter (das Wasser ist grässlich kalt), Computerdateien übertragen mit dem Erstgeborenen und mitfiebern beim sonntäglichen Geigenspiel der mittleren Tochter in der Kirche halten mich auf Trab. Daneben sortiere ich meine eingegangene Post, erledige Telefonate und begleite meine Frau zum Behördenabschied. Freunde laden zum Grillfest und beschenken uns mit einem originellen Schweizerkorb. Am Sonntag dann ein Sportmarathon mit Federer im britannischen Tennistempel und dem Showdown zwischen den Blauen aus dem Süden und den Blauen aus dem Westen: Zinédines Kopfstoss erinnert an Managementattacken früherer Arbeitgeber und die Elfmeterquote der Italiener ans Pistolenschiessen am Chilbistand. "Jeder Schuss ein Treffer" - beinahe wie im wirklichen Leben.
Und nun sitze ich bereits wieder im Flugzeug. 10000 Meter über der Stadt Istanbul. Mit dem Jet nach Dubai und danach auf dem Landweg nach Abu Dhabi. Denn morgen Nacht gehts nach Manchester. Die Arbeit hat mich wieder.
Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, ich befände mich mitten in einer Generalstabsübung. In der Wüstenstadt muss aus dem Nichts eine Existenz aufgebaut, in der Schweiz eine ebensolche heruntergefahren werden. Dabei wollen die administrativen Irrungen kein Ende nehmen. Ämterbesuche noch und noch, und auch der Übersetzer verdient sich den einen oder anderen Batzen an mir und meiner Familie. Und wenn man in helvetischer Naivität schliesslich glaubt, einen Schritt weiter zu sein, schlägt unvermittelt eine Welle lokaler Gepflogenheiten über unseren Köpfen zusammen und lässt uns nach deren Verebben zweifelnd im knöcheltiefen Wasser stehen. Ein Haus scheint gefunden, ein Reservationsvertrag unterzeichnet, doch unvermittelt ändern die vertraglichen Bedingungen des Arbeitgebers. Stundenlange Gespräche beim Personaldienst. Eine Türe geht zu, eine neue öffnet sich. Wann ist das Domizil bezugsbereit? Gemäss Prospekt im April dieses Jahres. Vielleicht Mitte Juli, sagt man uns auf der vermittelnden Bank, möglich wäre aber auch Anfang August...
Wer nicht lernt, den Rhythmus der Einheimischen anzunehmen, tut sich schwer. Alles dauert seine Zeit und statt einer konkreten Antwort erhält der Frager viel eher einen Verweis an die nächste Auskunftsstelle. So wechseln sich Hochs und Tiefs in unterschiedlichen Intervallen. Toni und ich fliegen jetzt normale Streckeneinsätze und sind zu unterschiedlichen Zeiten im Hotel. Die Zeit fürs gemeinsame Bier wird in der Folge rar.
Als nächstes gilt es, Möbel für das gemietete Haus anzuschaffen. Da kommt uns doch das „Shopping Festival“ mit üppig reduzierten Preisen gerade recht. Grund genug, die Familie für einige Tage nach Abu Dhabi zu holen. Denn meine Frau wäre wohl kaum zufrieden mit meiner Kühlschrank- oder Herdwahl. Das Getränkefach zu gross – die Gemüseschublade zu klein. Lokale Küchen werden hier eben „nackt“ vermietet, ohne die notwendigen Geräte.
Für die Kinder hat die letzte Schulwoche in der Schweiz begonnen. Nun bekommen sie konkret die Folgen unseres Abwanderungsentscheids zu spüren. Abschiedsfeste sind angesagt. Geschenke, Briefe, herzförmige Kissen, überdimensionierte Lollipops. Die letzte Franzstunde, die letzte Turnstunde – jede Lektion erhält ultimativen Charakter. Ob so viel Abschied geraten die Noten verständlicherweise etwas in den Hintergrund und für einmal ist das Zeugnis gar nicht mehr so wichtig. Umso mehr in der Deutschen Schule die „Sechs“ eh eine „Eins“ ist.
Weiter ist Packen angesagt. In zwei Wochen steht der Container vor der Haustür. Nicht zur Entsorgung wohlgemerkt. Viel eher zum Transport diverser Tische und Sofas. Bereits jetzt ist das Wohnen in unserem Haus unkonventionell, denn zahlreiche Räume werden dominiert von herumstehenden Kartonschachteln unterschiedlicher Grösse. Ein Mieter wurde gefunden und hat sicherheitshalber bereits einige Möbelstücke unübersehbar im Wohnzimmer platziert. Vieles wird auf diese Weise einfacher, beispielsweise das Aufräumen, das in seiner ursprünglichen Art gar nicht mehr stattfindet. Die Kinder freuts, die Mutter weniger. Und der Vater hat sich sowieso in die Wüste abgesetzt!

1 comment:

Anonymous said...

Hej Dide! Mir fällt auf, dass du in deinen Wehmutsattacken (= völlig normal und auch nach 3,5 Jahren desert noch vorhanden!) NIE an die gloriosen Zeiten zurück denkst, als du Coach einer extrem übermässig talentierten Hockey- Mannschaft warst. Ich bin sicher, das würde beim Seelenaufbau auch etwas helfen..!
Anyway, take it as easy as possible, es ist eben ein RIESEN- umgewöhnen! Ich wünsche Dir beim Umzug und Einleben mit family alles Gute und hoffe dich beim Bier bald mal in der Wüste zu treffen! Mobile 050 347 01 90. Halüüüü! Olli